Der Mann, der ins KZ einbrach
als uns zurückzuziehen. Wir hatten elf Panzerabwehrkanonen, und während wir die Panzer abschossen, knipsten die Panzer unsere Paks aus. Es heißt, am Ende hätten wir nur noch ein einziges kampftüchtiges Geschütz gehabt, und die Bedienung dieses Geschützes soll mit ihren letzten fünf Panzergranaten fünf Kampfwagen abgeschossen haben. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so knapp war, aber der letzte italienische Panzer kam auf zwanzig Meter an unseren Gefechtsstand heran, ehe wir ihn aufhielten.
Nachdem wir die Panzer ausgeschaltet hatten, kümmerten wir uns um die Infanterie. Mittlerweile konnte jeder unsere Panzer hören, die sich von Norden näherten, um ins Gefecht einzugreifen. Längs der Straße gingen die weißen Flaggen hoch, und italienische Soldaten kamen aus den Deckungen hervor. Viele von ihnen waren zweifellos froh, dass alles vorüber war. Aber ich hielt den Finger am Abzug. Noch konnte es schnell hässlich werden. Später hörten wir von einem Offizier, den ein Gefangener, der sich bereits ergeben hatte, mit einer Axt angriff. Vorsicht zahlte sich aus.
Der Mann kam die Kolonne entlang, vorbei an ausgebrannten Lkw und Panzerwracks, als ich ihn entdeckte. Hinter ihm tauchten immer mehr italienische Soldaten mit weißen Fahnen auf. Die Berichte waren unterschiedlich, aber ich sehe den Mann noch heute vor mir in seinem langen Cape, das er vorn offen trug. Darunter blitzte immer wieder etwas von seiner Uniform auf, an der mehr Lametta hing als an einem Weihnachtsbaum. Generale Annibale Bergonzoli, »Electric Whiskers« höchstpersönlich, ergab sich. In Bardia und in Tobruk war er entkommen, aber jetzt fiel er uns mit einer Gruppe weiterer Generale in die Hände.
Als sein staubiges Cape sich öffnete, bemerkte ich, dass er eine kleine Selbstladepistole mit Elfenbeingriff bei sich hatte. Ich trat vor und zeigte auf die Waffe. Er blickte mich trotzig an; er wusste sofort, was ich wollte. Ohne innezuhalten, klopfte er mit der rechten Hand auf die kleine Pistole und drohte mir mit dem Finger. Auch ich verstand sofort. Er würde nur einem Offizier seine Waffe übergeben und damit formell kapitulieren. Ich trat zur Seite und winkte ihn in ihre Richtung. Ich glaube, am Ende war es Captain Tom Pearson, der ihm die Pistole abnahm.
Die Schlacht von Beda Fomm war geschlagen. In nur zwei Monaten hatten wir einhundertdreißigtausend Gefangene gemacht. Unsere atemlose Jagd durch die Wüste hatte es uns möglich gemacht, die italienische 10. Armee vollständig auszuschalten, aber wir empfanden kein Hochgefühl, nur Erleichterung.
Zwei Tage nach dem Gefecht suchte ich mir einen Weg durch den verbogenen Stahl und die ausgeglühten Fahrzeugwracks. Die Gefahr, die mich während der Schlacht wach und in Alarmbereitschaft gehalten hatte, gab es nicht mehr. Verstümmelte Körper lagen im Staub, von Fliegen umschwirrt. Ich sah abgetrennte Arme und Beine, abgerissen von Explosionen oder von Maschinengewehrfeuer. Verwundete Italiener saßen an eigentümlichen, wie Torpfosten geformte Felsen gelehnt. Nur ein einsamer Baum stand auf der Ebene. Die meisten Verwundeten waren bereits abtransportiert worden, aber einige lagen noch im Sand, zu schwach, um auch nur zu stöhnen. Es war ein entsetzlicher Anblick.
Jeder verarbeitet so etwas auf seine ganz eigene Weise. Ich lief Lieutenant Mike Mosley über den Weg. Der große Kriegsheld schlenderte zwischen den Sanddünen umher, den Blick auf den Boden gerichtet. Er straffte den Rücken und kam zu mir.
»Wissen Sie, Avey«, sagte er, »es ist erstaunlich. Allein in diesem kleinen Flecken Sand habe ich zwölf verschiedene Wildblumenarten gefunden.«
5. Kapitel
O bwohl die Italiener in der Schlacht kräftig Prügel bezogen hatten, waren uns nur wenige Waffen und Fahrzeuge unversehrt in die Hände gefallen. Mir wurde aufgetragen, sämtlichen noch brauchbaren italienischen Plunder aufzulisten, den wir bergen konnten. In der letzten Kolonne waren auch Privatwagen gefahren. Ihre polierten Stoßstangen waren nun von einer dicken Staubschicht bedeckt. Auch Busse, in denen Prostituierte aus den italienischen Bordellen von Bengasi transportiert worden waren, hatten zu der Kolonne gehört. Sehr zum Unwillen einiger Kameraden hatte man die Frauen mit den übrigen Zivilisten dorthin zurückgeschickt, woher sie gekommen waren.
Später behauptete Bergonzoli, er hätte unter anderem wegen dieser Zivilisten die Schlacht verloren, weil ihm mehr als eintausend von
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