Der Mann, der ins KZ einbrach
es gut voranging, und mit höchstens zwölf auf den schlechteren Abschnitten der Strecke. Tom »Dicky« Bird war der zuverlässige Bataillonsnavigator. Wir hatten Rationen und Wasser für zwei Tage, aber es war eine lange, trockene Fahrt. Wir durften keine ausgefallenen Fahrzeuge zurücklassen, denn wir konnten nichts erübrigen. Falls nötig, sollten wir jeden bis nach Hause schleppen.
Am zweiten Tag gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Einer der Carrier war auf irgendetwas gefahren. Als wir uns dem Wrack näherten, sah es aus, als wäre einer der Insassen bereits tot. Ein anderer wand sich in schrecklichen Schmerzen laut schreiend am Boden. Es war George Sherlock, ein älterer Soldat und bekannter Boxer des Bataillons. Natürlich wären wir ihm sofort zu Hilfe geeilt, aber wenn der Carrier in ein Minenfeld geraten war, konnte ein solcher Versuch tödlich enden. Und wenn wir uns zusammenscharten, boten wir dem Feind ein besseres Ziel, falls wir angegriffen wurden. Deshalb mussten wir erst ergründen, was passiert war, damit wir keine Dummheit begingen. Wachsam näherten wir uns George und riefen ihm zu, er solle aushalten, doch seine Schreie zeigten immer größere Panik. Es hätte eine Mine oder eine Sprengfalle sein können, doch wie sich herausstellte, war der Carrier auf eine Thermosbombe gefahren, die vor zwei Wochen hier abgeworfen worden war. George blutete schlimm, aber dass er noch die Energie besaß, um so laut zu brüllen, war ein gutes Zeichen. Sein Bein sah übel aus, sein Arm nicht viel besser. So schnell würde er keine Haken mehr austeilen. Als er sah, dass ich zu ihm kam, wuchs seine Panik weiter.
»Nein! Nein! Lasst bloß nicht Avey in meine Nähe!«, schrie er. Ich blieb fassungslos stehen, wie gelähmt. Der Mann brauchte dringend Hilfe!
»Lasst ihn nicht zu mir. Der schießt, ich weiß es, der knallt mich ab.«
Jetzt wusste ich, dass er die Geschichte vom italienischen Panzerkommandanten gehört hatte.
Er war in Panik und verlor viel Blut, aber seine Angst vor mir brachte mich aus der Fassung. Ich wollte es nicht noch schlimmer machen; deshalb überließ ich es den anderen, seine Wunden zu versorgen. Doch was er gesagt hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Wir brachten ihn in Tobruk ins Lazarett. Dort übergaben wir auch die erbeuteten italienischen Lastwagen. Unsere anderen Fahrzeuge wurden gegen zehn Lkw für das letzte Wegstück bis Kairo ausgewechselt. Am Abend wurde Tobruk schwer bombardiert. Die Deutschen machten deutlich, dass sie jetzt mitkämpften. Sie waren so freundlich, uns nicht zu vergessen, und warfen noch ein paar letzte Bomben auf uns, ehe sie abdrehten.
Ich liebte die Geschwindigkeit und war deshalb froh, dass die Lkw dreißig Stundenkilometer schafften, aber es ging mir ziemlich schlecht. Kaum hatte ich monatelange Anspannung, Arbeit und Kampf hinter mir, versagten meine Abwehrkräfte. Ich fühlte mich hundsmiserabel.
Am Nachmittag des 28. Februar hatten wir wohlbehalten Mena erreicht, einen Ort am Rande Kairos, wo unsere Vorhut mit dem Aufbau des Lagers begonnen hatte. Die Zelte und Holzhütten boten einen Anblick schieren Luxus, aber ich hatte nichts mehr davon, denn ich lag bereits mit einer rätselhaften Erkrankung im Lazarett. Die Instandsetzung begann, aber die Wüste wollte uns nicht loslassen. Während ich schwitzend und fiebernd im Bett lag, taufte ein gewaltiger Sandsturm die frischen Uniformen der Kameraden.
Deutsche Flugzeuge warfen Minen in den Suezkanal ab. 2 RB musste sich an den Ufern aufstellen und beobachten, wo die Minen ins Wasser fielen. Man entschied, bei Nacht ein Netz über das Wasser zu spannen, sodass man am Morgen sehen konnte, wo die Minen eingeschlagen waren. Um das Prinzip bei Tageslicht zu demonstrieren, kamen zwei Flugzeuge und warfen Attrappen ab. Allerdings war es so, dass nur eine Maschine erwartet wurde. Es dauerte eine Weile, ehe man begriff, dass das zweite Flugzeug eine deutsche Maschine war und die Minen echt. Ich bekam nichts davon mit.
Das luxuriöse Lager erwies sich als zweischneidiges Schwert. Wir ahnten nicht, dass die Lehmziegelmauern, die unsere Zelte vor Bombensplittern schützen sollten, ideale Brutstätten für Sandmücken waren. Nachts kamen sie heraus und stachen uns. Infolge meiner geschwächten Abwehrkräfte bekam ich Sandmückenfieber: hohe Temperatur, Kopfweh, Gliederschmerzen, Augenbrennen, Durchfall. Der Arzt sagte, meine Leber und meine Milz seien angeschwollen, und es würde eine Weile dauern, bis ich
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