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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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möglichen Gefahren ab. Schließlich hatte erst vor zehn Minuten jemand auf uns geschossen, und wir konnten keine weiteren Überraschungen gebrauchen. Als wir beruhigt waren, gingen wir zu einem der Tische. Die Gäste, die dort saßen, machten uns augenblicklich Platz. Wir setzten uns auf die Sessel aus poliertem Stahlrohr und behielten die Türen im Auge.
    Ein kleiner Kerl kam vorsichtig an den Tisch und sagte etwas auf Italienisch, das ich nicht verstand. Er war um die vierzig und trug einen sorgfältig gestutzten schwarzen Schnurrbart und eine weiße Jacke. Wir nahmen an, dass es sich um den Besitzer handelte.
    »Eine Runde für alle«, sagte ich, zeigte auf ein Glas und deutete mit der Hand in den Raum. Er verstand, was ich meinte, schnippte mit den Fingern und sagte erneut etwas auf Italienisch. Wir bekamen zu trinken, darunter auch Bier für die Jungs, und die Stimmung in der Bar wurde ein wenig gelöster. Gänzlich entspannen aber würden die Gäste sich nicht, solange mitten unter ihnen eine Bande feindlicher Soldaten saß, die frisch aus der Schlacht kamen und Witze rissen.
    In der Bar waren hauptsächlich italienische Zivilisten, und sie hatten allen Grund, nervös zu sein. Sie hatten versucht, aus Bengasi zu fliehen. Viele von ihnen waren Zeuge der Kämpfe geworden, ehe wir sie hierher zurückgeschickt hatten.
    »Wisst ihr«, sagte ich zu meinen Kameraden und wiegte mich im Sessel, »wir sollten den Laden einfach kaufen, was meint ihr?« Ein Lächeln erschien auf ihren Gesichtern. Nach mehreren schlimmen Monaten kehrte unser Sinn für Humor zurück. Wir hoben die Kiste auf die Marmortheke und riefen den Besitzer zu uns.
    »Was soll der ganze Laden kosten?«, fragte ich lächelnd und wies in die Runde. Der Mann musterte mich mit leerem Blick. Ich versuchte es noch einmal, diesmal langsamer und mit übertriebenen Gebärden.
    »Wir möchten die Bar kaufen – Tische, Stühle, die ganze Einrichtung. Wir zahlen mit Lire. Wie viel?«
    Er begriff immer noch nicht.
    Ich zog mein Bajonett, und der Mann zuckte zusammen. Dann öffnete ich die Kiste und wies mit der Bajonettspitze auf den Inhalt. »Hier, Geld. Unser Geld. Lire, viele Lire.«
    Er riss die Augen auf. Offensichtlich war er interessiert. Für uns waren es nur Papierbündel, doch der Mann mit dem Schnurrbart begriff sehr schnell die Möglichkeiten.
    In der halben Stunde, die wir blieben, verbreitete sich die Nachricht. Wir wussten nicht, ob die Gegend sicher war; deshalb wurde es Zeit, dass wir uns verabschiedeten und verschwanden, zumal der Besitzer mitsamt Familie noch vor uns abdampfte und die Kiste mit den Lire mitnahm. Ich bin mir sicher, dass der Preis mehr als fair war, und ich erzähle heute noch gern, dass ich Miteigentümer eines libyschen Lokals bin.
     

     
    Wir kehrten in das geordnete Chaos des Bataillons zurück. Die Jungs fanden, wir hätten bis Tripolis durchbrechen sollen, solange wir noch die nötige Stoßkraft besaßen, aber die hohen Tiere sahen es anders und planten unseren Rückzug. Ganz unrecht hatten sie nicht, denn für die meisten unserer Fahrzeuge war eine gründliche Wartung überfällig. Die gesamte 7. Panzerdivision war sozusagen mechanisch ausgeleiert.
    Wir sonnten uns noch immer im Glanz unseres überwältigenden Sieges, als am Himmel ein Omen erschien. Um 6.30 Uhr am 12. Februar wurde von der Patrouille ein Bomber gesichtet, der in nur fünfzehn Metern Höhe über der Straße flog. Er warf mehrere schwere Bomben ab, ehe er im Dunst des Horizonts verschwand. Diesmal war es keine behäbige dreimotorige Savoia gewesen, sondern eine Junkers Ju 88 mit schwarzen Balkenkreuzen unter den Tragflächen. Die deutsche Luftwaffe war angekommen. Am gleichen Tag flog Rommel nach Tripolis, um die Führung des Wüstenkrieges zu übernehmen. Die Deutschen stellten einen neuen Heeresverband zusammen, das Afrikakorps. Wir sollten es nicht mehr so leicht haben wie bisher.
    Am frühen Morgen des 21. Februar, mit weniger als vierundzwanzig Stunden Vorwarnung, erhielten wir den Marschbefehl zurück nach Kairo via Tobruk. Ich war mit Charles Calistan zusammen. Es schien uns eine Ewigkeit her zu sein, dass wir gemeinsam Kairo erkundet hatten. Wir alle hatten zwar unsere Keuschheit bewahrt, aber wir hatten eine andere Art von Unschuld verloren: Wir alle hatten Blut vergossen.
    Wir kamen nur langsam voran. Wir sollten in Formation fahren, mit hundert Metern Abstand zwischen den Fahrzeugen. Wir krochen mit fünfundzwanzig Stundenkilometern dahin, wo

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