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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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als er in meiner Uniform hereinkam, aber falls es ihn schmerzte, sie mir zurückzugeben, sagte er es nicht. Er wollte nicht reden. Er war ein anständiger Kerl, und ich hatte immer gewusst, dass er mich nicht hereinlegen würde. Trotzdem fiel mir ein Stein vom Herzen, als er vor mir stand. Wäre er draußen in Panik geraten und hätte sich geweigert, in die Bude zu kommen, wäre es für uns beide aus gewesen. Sobald er die Bude verließ, war er wieder KZ -Häftling, das war ihm klar, und er wollte es hinter sich bringen. Ich hatte meine Stiefel aus dem Versteck geholt, ehe Hans hereingekommen war, und seine Holzschuhe standen bereit.
    Ich zog mir die gestreiften Lumpen aus und war froh, wieder in meine Jacke und Hose schlüpfen zu können. Ich kehrte zu meinem Stamm zurück und nahm mir meinen geschützten Status wieder, während Hans ihn verlor. Die Symbolik dieser Situation ging in der Eile unter. Wir wollten es so schnell wie möglich hinter uns bringen.
    Ich wiederholte die Warnungen, die ich Hans erteilt hatte, ehe wir die Kleider tauschten: Bleib ruhig und renne nicht. Ich brauchte ihm nicht zu sagen, wie er sich als Häftling zu verhalten hatte. Ich war mir nicht sicher, ob er das alles überhaupt aufnehmen konnte. Er verschwand, kaum dass er fertig war.
    Tage vergingen, bis ich imstande war, über die Stunden nachzudenken, die ich in Auschwitz III verbracht hatte. Es kostete mich alle Kraft, die völlige Verzweiflung, die dort herrschte, an mich heranzulassen. Ich wusste nun, dass man einem Menschen nichts Schlimmeres antun konnte, als ihm alles zu nehmen – seinen Besitz, seinen Stolz, seine Selbstachtung – und ihn dann umzubringen. Langsam umzubringen. Der Begriff der Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen beschreibt es nicht einmal ansatzweise. Was ich gesehen hatte, übertraf bei weitem alle Schrecken des Wüstenkrieges, die ich kannte. Damals hatte ich einen Feind vor mir und tat meine Pflicht. Ich tat sie gut, und deshalb hatte ich überlebt.
    Der Tausch hatte viel Glück erfordert, aber ich war enttäuscht, wie wenig ich erfahren hatte. Noch immer gab es viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte, aber ich hatte Auschwitz-Monowitz gesehen, und das war ein Anfang. Die Erinnerung an das Konzentrationslager ließ mich nicht mehr los.
    Ich reihte mich bei den anderen britischen Kriegsgefangenen ein, und die Schufterei des Tages begann. Rohre mit Flanschen mussten verladen werden und weitere Absperrventile. Jedes wog ungefähr dreißig Kilo. Am schwierigsten war es, sie auf den Wagen zu bekommen, aber sobald die Räder rollten, ließ es sich ertragen. Nachdem sie an ihrem Bestimmungsort waren, stapelten wir sie zum Einbau auf; dann ging es weiter. Es wurde Mittag, ehe ich etwas zu essen bekam, und bis dahin war mein Appetit zurückgekehrt.
    Bis ich mit Bill sprechen konnte, verging eine Weile. Ich wusste, dass er sich mit Jimmy um Hans gekümmert hatte. Wie sich herausstellte, war Jimmy ziemlich zurückhaltend gewesen, aber beide hatten getan, was nötig war. Bill hatte Hans rasch in unsere Baracke gebracht und in meiner Pritsche versteckt, die außer Sicht in der hinteren Ecke stand.
    »Avey ist krank. Er hat sich hingelegt und will seine Ruhe haben.« Mehr hatten sie den anderen nicht gesagt. Bill hatte Hans Essen und Trinken gebracht, und Hans hatte während des ganzen Abends den Kopf nicht gehoben. Keiner von uns kannte jeden britischen Kriegsgefangenen im Lager, dazu gab es zu viele, aber die Hütten waren ziemlich klein, und sie mussten Hans bis zum Durchzählen verborgen halten. Zum Glück achteten die Leute nicht allzu sehr aufeinander, und alles ging glatt.
    Für Hans hatten sich Täuschung und Risiko gelohnt, weil er Zigaretten bekam, die er eintauschen konnte. Außerdem, da war ich mir sicher, hatte die bessere Verpflegung im britischen Kriegsgefangenenlager ihn gekräftigt. Erst als ich später wieder mit ihm sprach, erfuhr ich, dass er von dem Essen krank geworden war. Nachdem er sich monatelang von fauler Kohlsuppe ernährt hatte, brachte das kräftigere Essen seinen Magen in Aufruhr. Das hatte ich nicht ahnen können, aber ich war entsetzt, als ich es hörte. Irgendwie nahm es meinem Erfolg den Glanz. Wenigstens hatte Hans es genossen, sich auf meiner bequemen Strohmatratze unter Decken auszuruhen, die aus diesen eigentümlichen Holzfasern bestanden. Das war besser als das, was er sonst hatte, und für eine Nacht war er den Leuten entkommen, die ihn durch Arbeit töten

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