Der Mann, der ins KZ einbrach
Güterwaggons in der vergeblichen Hoffnung, einen zu finden, der nach Norden fuhr. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, zu den britischen Linien vorzustoßen.
Während ich auf dem Bahnhof herumstrich, hörte ich plötzlich das Brummen großer Flugzeuge über mir, und dann fielen auch schon die Bomben. Mir war klar, dass ein Verladebahnhof ein kriegswichtiges Ziel darstellte. Ich rannte los, überquerte einen Friedhof und lief weiter, immer weiter. Ich hörte die Flak feuern und die Bomben pfeifen. Eine schlug auf dem Friedhof ein, kurz nachdem ich ihn verlassen hatte.
Ich umging eine Hecke und stand plötzlich vor einer gut getarnten Flak-Stellung, konnte ihr aber ausweichen und gelangte auf freies Feld. Ich wähnte mich dort sicher, aber so war es nicht.
Wieder hörte ich Flugzeuge über mir und warf mich zu Boden. Als ich mich auf den Rücken rollte, sah ich eine amerikanische fliegende Festung, der eine Tragfläche fehlte. Sie stürzte brennend ab. Über mir gellte ein Pfeifen; dann war ein lautes Krachen zu vernehmen. Ich glaubte zuerst, eine Bombe sei explodiert, aber wie sich herausstellte, war ein Trümmerstück des Flugzeugs nicht weit von mir in den Boden geschlagen. Als der Luftangriff vorüber war, ging ich zu den Flugzeugtrümmern und fand einen Baseballschläger, der aus der Erde ragte. Ich nahm an, dass ein Besatzungsmitglied der B-17 ihn als Glücksbringer dabei gehabt hatte. Genützt hatte es ihm nichts, zumal ich am Himmel keinen Fallschirm entdeckt hatte. Ich zog den Baseballschläger aus dem Boden. Dieses Souvenir wollte ich mit nach Hause nehmen.
Ich versuchte es nicht noch einmal am Rangierbahnhof, sondern ging zu Fuß in Richtung Norden. Wenn es nicht anders ging, musste ich es eben auf die unbequeme Art schaffen.
Tage später erreichte ich die Vororte Nürnbergs. Dort wollte ich mein Glück noch einmal bei der Eisenbahn versuchen. Ich drang vorsichtig zur Innenstadt vor, doch die Bomber waren mir zuvorgekommen. Nürnberg war eine einzige Trümmerwüste. In einigen Vierteln standen kaum noch zwei Ziegelsteine aufeinander. Ich kehrte auf dem gleichen Weg zurück und umging die Stadt. Dann schlug ich wieder die nördliche Richtung ein.
Ich glaubte, den alliierten Linien ein wenig näher zu kommen, aber ich hatte kaum deutsche Truppen gesehen, also irrte ich mich vielleicht.
Kurz vor Bamberg hatte ich endlich Glück. Als ich aus einem Gehölz kam, stand ich vor einer gefechtsbereiten Panzereinheit. Zwischen den einzelnen Kampfwagen waren wenigstens hundert Meter Abstand. Es waren Amerikaner. Ich näherte mich vorsichtig, aber offen, und vertraute darauf, dass sie gute Ferngläser hatten und mich kommen sahen.
Sie würden schwerlich eine Granate an einen einzelnen Mann verschwenden. Und warum sollten sie einen Soldaten töten, der allein auf sie zukam? Wenn ich ein Deutscher gewesen wäre, hätten sie einen Gefangenen gehabt.
Ich ging so nahe an sie heran, dass ich ihnen zurufen konnte, ich sei ein britischer Kriegsgefangener. Am nächststehenden Panzer streckte jemand den Kopf heraus und begrüßte mich. Dann verschwand er wieder. Ich nahm an, dass er das Funkgerät benutzte. Schließlich sprang er heraus und sagte mir, ich solle ihm folgen. Wir überquerten ein Feld. Nach ungefähr zweihundert Metern erreichten wir einen anderen Panzer, wo der Befehlshaber der Einheit wartete.
Der Mann war nicht von dieser Welt. Er trug zwei Pistolen, und in seinem Stiefel steckte ein Messer. Er kam gleich zur Sache. »Wo sind die gottverdammten Krauts?«, fragte er.
Ich konnte es ihm nicht sagen, denn ich hatte stets versucht, den Deutschen auszuweichen. Ich antwortete, ich käme aus der Nähe Nürnbergs und hätte nicht viel gesehen. Der Kommandant maß mich mit einem Blick; dann wandte er sich an einen seiner Leute und sagte: »Geben Sie dem Mann Wasser und etwas zu essen.« Ich war frei.
Die Ration, die ich bekam, schlang ich augenblicklich herunter. Es schmeckte köstlich. Die Panzer rollten bald wieder los, und ich wurde nach hinten gebracht. Irgendwann setzte man mich in ein Fahrzeug und fuhr mich ein paar Kilometer zurück in Richtung Nürnberg zu einem kleinen Feldflugplatz. Man sagte mir, er sei ein Sammelplatz für ehemalige Kriegsgefangene. In ein paar Tagen würden Flugzeuge eintreffen und uns abholen.
Ich stieg aus dem Wagen und winkte den Amerikanern zu, die zu ihren vormarschierenden Einheiten zurückfuhren. Es war ein kurzes Zwischenspiel gewesen. Ich hatte ihre Rationen sehr genossen,
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