Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
Vom Netzwerk:
überstehen. Wir waren jetzt neun oder zehn Mann und konnten nichts anderes tun, als der Dinge zu harren, die da kamen.

17. Kapitel
     
     
    E s dauerte zwei Tage, ehe das Grollen großer Propellermotoren das verlassene Haus erbeben ließ. Als ich hinausrannte, sah ich eine Dakota der Royal Air Force im Anflug auf das Flugfeld. Sie setzte holpernd auf und war kaum vom grünen Landestreifen abgebogen, als auch schon eine zweite Maschine landete und ein paar Sätze machte, bei denen sich das Hauptfahrwerk jedes Mal ein Stück vom Boden erhob, ehe der Rumpf sich auf das Spornrad senkte und das Flugzeug auf dem Rasenstreifen ausrollte.
    Niemand führte das Kommando. Es gab keinen Kontrollturm, und ich sah kein Bodenpersonal. Ich eilte nach drinnen, ergriff meine wenigen Habseligkeiten und versuchte abzuschätzen, wo die Maschine halten würde, als ich über das Flugfeld hetzte. Die Dakota war schnittig für ihre Zeit, aber trotzdem ein Arbeitspferd. Das erste Flugzeug rollte langsam aus, wendete und hielt mit wirbelnden Luftschrauben, die Nase gen Himmel gerichtet.
    Aus den verschiedensten Ecken des Feldes kamen nun Soldaten und eilten zur Maschine. In der Rumpfseite öffnete sich eine Luke, und ein Mann in einer dicken Lederjacke beugte sich heraus und brüllte irgendetwas. Ich konnte ihn im Motorenlärm nicht verstehen, aber seinen Gesten entnahm ich, dass die Maschine nicht lange warten würde. Ich gehörte zu den Ersten, die an Bord stiegen. Es war mir egal, wohin es ging, ich wollte nur weg. Ungefähr ein Dutzend von uns kamen herein; dann wurde die Luke geschlossen, und ich setzte mich auf einen der schmalen Sitze an der gerippten Innenwand aus Metall. Ich drehte mich um, damit ich über die Schulter blicken konnte, und sah durch das winzige Fenster, wie die anderen zu dem zweiten Flugzeug eilten in der Hoffnung, dort einen Platz zu ergattern.
    Wir rollten ans Ende des Flugfelds und bereiteten uns auf den Start vor. Im Passagierraum legte sich ein ansteckendes Lächeln auf alle Gesichter, und ich wusste, dass ich nicht der einzige Soldat war, der nach einem harten Krieg nach Hause flog. Ich hörte später, dass ein drittes Flugzeug, das uns abholen sollte, einen Motorschaden hatte und unterwegs brennend abstürzte. Doch nun stiegen wir durch die Wolken und nahmen Kurs auf Brüssel. Ich ließ mich in den Sitz sinken, spielte mit dem Baseballschläger, den ich seit Regensburg mit mir herumtrug, und wagte endlich zu hoffen, dass ich wirklich auf dem Weg in die Heimat war. Gott sein Dank. Es war vorbei. Doch Hunger hatte ich immer noch.
    Ich stand auf und ging während des Fluges durch die Maschine. Immer wieder schaute ich durch die winzigen Seitenfenster. Der Krieg war noch im Gange, aber niemand hatte Zweifel, dass er bald zu Ende sein würde. Ich blickte auf die kilometerweiten Felder unter mir und fragte mich, was die Nachkriegsjahre bringen würden.
    Wir landeten auf einem Militärflugplatz bei Brüssel. Ich wurde in ein Camp der Army in der Nähe gebracht und bekam zum ersten Mal seit Wochen eine richtige Mahlzeit. Ich konnte mich waschen, aber nicht duschen oder baden. Ich blieb nur für eine Nacht und sprach mit niemandem über meinen Marsch oder meine Zeit in der Gefangenschaft. Wir alle hatten Schreckliches hinter uns. Von selbst redeten wir nicht darüber, und niemand fragte uns danach.
    Am Tag darauf brachte man uns wieder zum Flugfeld. Dort stand ein großer viermotoriger Bomber mit einer Glaskanzel für den Bombenschützen am Bug und einer kleineren Kanzel mit Maschinengewehrläufen in der Mitte des Rumpfes, die aussah wie eine Warze auf dem Rücken.
    Ich wusste, dass es ein Bomber vom Typ Lancaster war, obwohl ich noch nie einen gesehen hatte. Ich war in Gefangenschaft geraten, ehe diese Maschine verbreitet zum Einsatz kam, aber sie sah genauso aus, wie ich sie mir nach den Schilderungen Mitgefangener vorgestellt hatte.
    Der Bomber wurde gerade startklar gemacht, und ich stieg mit den anderen ein. Passagiersitze gab es nicht, und es war sehr eng an Bord. Ich wusste sofort, wo ich mich hinsetzen wollte, aber der Kommandant beschied mir, dass die Station des Bombenschützen – das fliegende Glashaus im Bug – nicht infrage kam. Trotzdem gab ich nicht auf. Ich bettelte und flößte ihm Schuldgefühle ein, und schließlich gewährte er mir meinen Wunsch.
    Also lag ich kurz darauf flach auf dem Bauch in der verletzlichen durchsichtigen Nase der Maschine und spürte die schwindelerregende Vibration der

Weitere Kostenlose Bücher