Der Mann, der kein Mörder war
lächelte er und gab Sebastian die Hand. «Ich fand es jedenfalls sehr nett, mit dir zusammenzuarbeiten.»
Sebastian nickte erneut. Aber er war gezwungen, er selbst zu bleiben. Insbesondere jetzt, da er das bekommen hatte, weswegen er von Anfang an gekommen war.
«Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.»
Dann ging er, entschlossen, nie wieder zurückzukehren. Niemals.
Der Mann, der kein Mörder war, konnte kaum stillsitzen. Nun wurde die Nachricht überall verbreitet, im Internet, im Fernsehen und im Radio. Der Durchbruch der Polizei schien perfekt. Der Höhepunkt war ein kurzer Beitrag im Staatlichen Fernsehen von der jüngsten Pressekonferenz. Die Polizeichefin trug ein elegantes Kostüm und wurde vom Kommissar der Reichsmordkommission flankiert, den er bereits einige Male im Fernsehen gesehen hatte. Die Polizeichefin strahlte entspannt über das ganze Gesicht, ihr Lächeln war so breit und weiß, dass es fast aussah, als fletschte sie ihre Zähne. Der Kommissar sah beinahe unverändert aus und war wie immer ernst und formell. Die Frau – jetzt wurde eine Bildunterschrift eingeblendet, die verriet, dass sie Kerstin Hanser hieß – berichtete, dass die Polizei einen Mordverdächtigen hatte. Nähere Details würden erst bekannt gegeben, wenn die kriminaltechnischen Analysen abgeschlossen waren. Aber sie waren sich so sicher, dass sie schon jetzt etwas zu dem Fall sagen konnte. Die tragischen Todesfälle am Morgen hatten zum Durchbruch geführt. Der Verdächtige war ein etwa fünfzigjähriger Mann mit Wohnsitz in Västerås, der sich das Leben genommen hatte. Obwohl sie nicht sagten, wer es war, wussten es alle in dieser Gegend:
Rektor Ragnar Groth.
Insbesondere der Mann, der kein Mörder war, wusste es. Er hatte das Gerücht am gestrigen Tag selbst auf einer Internetseite entdeckt. Sie nannte sich «Flashback» und war vollgestopft mit üblem Klatsch und Spekulationen über alles und jeden, allerdings fanden sich darauf auch erstaunlich viele wahre Informationen. In einem Diskussionsforum namens «Ritualmord in Västerås» fand er einen anonymen Beitrag, dessen Verfasser versicherte, dass der Rektor des Palmlövska-Gymnasiums von der Polizei abgeholt und verhört worden war.
Der Mann, der kein Mörder war, hatte sofort im Sekretariat der Schule angerufen und verlangt, den Rektor zu sprechen. Doch ihm war mitgeteilt worden, Ragnar Groth befände sich für den Rest des Tages auf Dienstreise.
Er hatte sich auf der Arbeit entschuldigt und war zu seinem Auto geeilt. Über die Auskunft hatte er die Privatadresse des Rektors erhalten und war sofort dorthin gefahren. Er hatte den Wagen ein Stück entfernt geparkt und war unauffällig an dem zweistöckigen Haus vorbeispaziert. Das Auto, das vor der Haustür parkte, sagte alles. Zwar war es ein Zivilfahrzeug, doch er erkannte es wieder.
Es war dasselbe Auto, das vor wenigen Tagen vor Leo Lundins Haus gestanden hatte.
Im Körper des Mannes, der kein Mörder war, hatte sich Wärme ausgebreitet. Es war, als hätte er gerade den großen Jackpot der Lotterie geknackt, und niemand außer ihm wusste davon. Es war sein Gewinn, mit dem er machen konnte, was er wollte. Als er dort stand, wurde die Tür geöffnet und eine Frau trat heraus. Er ging weiter, um nicht von ihr bemerkt zu werden, aber die Frau war völlig mit sich selbst beschäftigt. Sie war wütend, das erkannte er an der Art und Weise, wie sie die Autotür zuknallte. Er entfernte sich ein Stück, doch als ihr Auto an ihm vorbeigefahren war, drehte er vorsichtig um und ging zu seinem eigenen Wagen zurück.
Zehn Minuten, um den Kalender von zu Hause zu holen, zehn Minuten, bis er wieder hier war. Nur ein Polizist im Haus von Ragnar Groth. Er hatte darauf gebaut, dass es funktionieren würde.
Und es hatte funktioniert.
S ebastian stand vor seinem Elternhaus, das in der Dunkelheit lag, und betrachtete es. Der Abend war kühl, und er war ein wenig zu leicht gekleidet, aber die herankriechende Kälte machte ihm nichts aus. Sie passte sogar irgendwie zu dem Moment. Jetzt war es also Zeit, das zu tun, was er eigentlich schon bei seiner Ankunft hatte tun wollen. Aber die Ereignisse der letzten Tage hatte ihn daran gehindert. Morgen würde er fahren, abhauen, verschwinden. Noch dazu war es ihm gelungen, die Adresse zu bekommen, wegen der er sich anfangs an den Ermittlungen beteiligt hatte.
Storskärsgatan 12. Hier konnte die Antwort liegen – wenn er sie denn wissen wollte.
Wie er so dastand, begriff
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