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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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jedes klischeetriefende Zitat las. Anscheinend hatten alle eine Meinung, aber niemand etwas zu sagen. Die Lokalzeitung wusste auch zu berichten, dass der Staatsanwalt entschieden hatte, einen gleichaltrigen Jungen aufgrund äußerst spärlicher Verdachtsmomente festzunehmen. Die Boulevardzeitungen hatten Genaueres zu bieten. Sie wussten mehr und machten den Fall noch größer auf.
Aftonbladet.se
konnte verkünden, dass der Junge den Ermordeten früher terrorisiert und misshandelt hatte und offenbar der unmittelbare Grund dafür gewesen war, dass dieser die Schule gewechselt hatte. Ein Journalist, der mit Ganzkörperfoto in der Verfasserzeile abgedruckt war, gestaltete die ohnehin tragische Geschichte noch herzzerreißender. Er beschrieb, wie der gemobbte Junge versuchte, seinen Peinigern zu entkommen und sich wieder aufrappelte; wie der Junge an einer neuen Schule neue Freunde fand und allmählich einen Streifen Licht am Horizont sah – bis er Opfer sinnloser Gewalt wurde. Da blieb kein Auge trocken.
    Der Mann, der kein Mörder war, las den rührseligen Text und dachte nach. Wünschte er sich, dass es nie geschehen wäre? Definitiv. Aber so durfte er nicht denken. Es war geschehen. Man konnte es nicht ungeschehen machen. Spürte er Reue? Eigentlich nicht. Für ihn bedeutete Reue, dass man anders handeln würde, wenn man noch einmal mit der gleichen Situation konfrontiert würde. Aber das würde er nicht. Er konnte es nicht. Es stand zu viel auf dem Spiel.
    Er wechselte auf die Seite von
Expressen.se
. Hier hatte man unter der Rubrik «Aktuelles» eine Notiz mit dem Teaser «Verdacht gegen festgenommenen Västerås-Mörder zunehmend entkräftet» abgedruckt. Das war nicht gut. Wenn die Polizei den jungen Mann freiließ, würden sie von neuem mit der Suche beginnen. Er lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Wie er es immer tat, wenn er nachdenken musste.
    Er dachte an die Jacke. Die grüne Dieseljacke, die in eine Schublade gestopft hinter ihm in einer Kommode lag. Rogers blutige Jacke. Angenommen, man würde sie im Haus des verhafteten jungen Mannes finden … Auf den ersten Blick mochte das wie ein eigennütziger Gedanke, ein egoistisches Vorgehen erscheinen. Ein falsches Indiz, um die Schuld auf einen Mitmenschen abzuwälzen. Ein unmoralischer Versuch, sich den Konsequenzen des eigenen Handelns selbstsüchtig zu entziehen. Aber war es wirklich so?
    Der Mann, der kein Mörder war, konnte Rogers Angehörigen und Freunden damit sogar helfen. Sie müssten dann nicht mehr darüber nachgrübeln, wer den Jungen getötet hatte, und könnten sich voll und ganz der wichtigen Trauerarbeit widmen. Er konnte das Rätsel lösen. Allen dabei helfen, wieder weiterzumachen. Das war viel wert. Und obendrein würde er die Aufklärungsquote der Polizei in Västerås verbessern. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr erschien ihm seine Idee als selbstloser Akt. Als gute Tat geradezu.
    Es brauchte nicht viele Klicks, bis er den Verhafteten identifiziert hatte. Leonard Lundin. Sein Name wurde in Chatrooms, Foren, Blogs und Logs ausposaunt. Das Internet war einfach phantastisch.
    Schon bald hatte er auch seine Adresse herausgefunden.
    Jetzt würde er wirklich helfen können.
     
     
    Zum wievielten Mal sah Sebastian nun schon auf die Uhr? Er konnte es nicht sagen. 23:11 Uhr. Zuletzt war es 23:08 Uhr gewesen. War es wirklich möglich, dass die Zeit so langsam verstrich? Rastlosigkeit plagte ihn. Er wollte nicht in dieser Stadt sein, in diesem Haus. Was sollte er tun? Es sich in einem der Sessel bequem machen, ein Buch lesen und sich wie zu Hause fühlen? Unmöglich. Nicht einmal als er noch hier gewohnt hatte, war dieses Haus ein Zuhause für ihn gewesen. Er zappte durch die Fernsehkanäle, ohne etwas Interessantes zu finden. Die Hausbar reizte ihn nicht, da er nicht trank. Und er war auch nicht der Typ, der die aromatischen Badeöle und exklusiven Badekugeln seiner Mutter untersuchte, um in ein entspannendes/belebendes/harmonisches/energiespendendes Bad einzutauchen; in dem großzügigen und beinahe luxuriösen Badezimmer, das der Zufluchtsort seiner Mutter gewesen war, wenn er sich recht erinnerte. Der einzige Raum im ganzen Haus, den zu gestalten und selbst einzurichten sie ihrem Mann abgefordert hatte. Ihr Zimmer in
seinem
Haus.
    Eine Weile war Sebastian aufs Geratewohl umhergegangen und hatte Schränke und Schubladen im Haus geöffnet, zu einem gewissen Grad aus reiner Neugier. So, wie er bei allen Menschen, bei denen er zu

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