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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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Gast war, grundsätzlich die Badezimmerschränke öffnete. Aber – das musste er sich widerwillig eingestehen – er wurde auch von dem Wunsch getrieben, zu sehen, was vor sich gegangen war, seit er das Haus verlassen hatte. Sein bisheriger Eindruck: eigentlich nichts. Das gute Porzellan von Rörstrand stand noch an seinem Platz in der weißen Eckvitrine, Tischdecken und -läufer für jedes Fest und alle Jahreszeiten lagen gebügelt und akkurat aufgerollt in den Schränken. Natürlich gab es eine Menge neuer, sinnloser Urlaubssouvenirs aus Glas und Porzellan, die sich den engen Raum auf Regalbrettern hinter den geschlossenen Vitrinentüren mit Geschenken eines ganzen Lebens teilen mussten: Kerzenleuchter, Vasen und ein Aschenbecher aus einer anderen Epoche. Gegenstände, die man selten oder nie benutzte und nur aufhob, weil jemand anders sie ins Haus gebracht hatte und man sie unmöglich loswerden konnte, ohne undankbar zu wirken oder gar den Anschein zu erwecken, dass man einen besseren Geschmack hatte als der Schenkende. Gewiss, da waren Dinge, die er nie zuvor gesehen hatte, doch die Atmosphäre im Haus hatte sich nicht verändert. Trotz neuer Möbel, entfernter Wände und moderner Lichtarrangements war und blieb dieses Heim in Sebastians Augen eine Ansammlung von Sinnlosigkeit. Es vermittelte den Eindruck, dass das Leben im Bergman’schen Haus genauso ruhig und still, so mittelstandskonventionell und ängstlich gelebt worden war, wie er es in Erinnerung hatte. Allein der Anblick dieser Hinterlassenschaften langweilte ihn fast zu Tode, und das einzig wahre Gefühl, was sie ihm entlocken konnten, war eine enorme Müdigkeit angesichts der Aufgabe, sich um diesen ganzen Mist zu kümmern.
    Der Makler hatte gegen drei angerufen. Er war ein wenig erstaunt über Sebastians Einstellung gewesen. Heutzutage sahen alle Menschen ihre Häuser als Investition an, und eine solche bewachte man für gewöhnlich unter den Gesichtspunkten des modernen Kapitalismus. Sebastian hatte jedoch kein bisschen verhandelt. Er wollte verkaufen, im Prinzip zu jedem Preis. Am liebsten noch heute. Der Makler hatte versprochen, so schnell wie möglich vorbeizukommen. Sebastian hoffte, dass das schon morgen der Fall wäre.
    Er dachte über die Frau aus dem Zug nach. Der Zettel mit ihrer Telefonnummer lag neben seinem Bett. Warum war er nicht etwas vorausplanender gewesen? Hatte sie früher angerufen und ein Abendessen in einem schönen Restaurant ihrer Wahl vorgeschlagen? Gut und lange gegessen und getrunken. Sie einen Abend lang kennengelernt. Dann könnten sie jetzt in den bequemen Sesseln einer Hotellobby versinken, mit einem Drink in der Hand und ruhiger Loungemusik in den Ohren. Und er könnte zögernd, geradezu unabsichtlich, mit seinen Fingern ihre nackten Knie unterhalb des Kleidersaums streifen.
    Die Verführung. Das Spiel, das er gewinnen musste. Der Sieg und der Genuss. All das war außer Reichweite gerückt, weil er momentan nicht wie gewöhnlich funktionierte. Er gab dem Haus die Schuld. Seiner Mutter. Torkels plötzlichem Auftauchen aus der Vergangenheit. Es gab Gründe, trotzdem ärgerte es ihn maßlos. Äußere Umstände beeinflussten ihn sonst nicht, brachten ihn nicht so sehr aus dem Gleichgewicht.
    Das Leben passte sich Sebastian Bergman an, nicht umgekehrt. So war es jedenfalls einmal gewesen, vor Lily und Sabine.
    Nein, er würde nicht nachgeben. Nicht heute. Es spielte keine Rolle, was geschehen war, wer sich wem anpasste oder dass manche Menschen die Tage, wie er sie verbrachte, eher als Zustand denn als Leben bezeichnen würden. Es spielte keine Rolle, dass er allem Anschein nach die Kontrolle verloren hatte. Er besaß noch immer die Kraft, das Beste aus einer Situation zu machen. Er war nicht totzukriegen, im wahrsten Sinne des Wortes.
    Er ging in die Küche und nahm eine Flasche Wein aus dem schlichten Weinregal oberhalb des Küchenschranks. Er sah nicht einmal auf das Etikett, die Sorte war egal. Es war Wein, er war rot, und er würde seinen Zweck erfüllen. Als er die Terrassentür aufschob, überlegte er, wie er sich annähern sollte.
    Einfühlsam.
    Ich dachte, du willst jetzt vielleicht nicht allein sein …
    Besorgt.
    Ich habe gesehen, dass noch Licht brennt, ist alles in Ordnung …
    Oder entschlossen, aber fürsorglich.
    An einem Abend wie diesem solltest du auf keinen Fall allein sein …
    Das Ergebnis wäre jeweils dasselbe.
    Er würde Sex mit Clara Lundin haben.
     
     
    An der Decke war die Farbe ein

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