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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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sich dem Fall unter einem ganz anderen Blickwinkel nähern. Aber sie schwieg. Bisher war sie bei der Aufklärung von zwölf Mordfällen dabei gewesen. In sämtlichen Fällen hatten Täter und Opfer einander gekannt. Es war höchst unwahrscheinlich, dass Roger von einer Person ermordet worden war, die ihm völlig unbekannt war. Wenn es so war, würde dieser Fall mit größter Wahrscheinlichkeit ungelöst bleiben, dass wussten alle, die um den Tisch versammelt saßen. Die Chance, einen unbekannten Mörder ohne Verbindung zu seinem Opfer zu finden, war sehr gering, insbesondere ohne technisch beweisbare Spuren wie in diesem Fall. Seit den Neunzigern konnten solche Fälle dank DNA -Analyse immer häufiger aufgeklärt werden. Bei Wasserleichen fehlten die DNA -Spuren des Täters jedoch meistens. Sie hatten keine leichte Aufgabe vor sich.
    «Wissen wir, ob Axel Johansson sich bewusst aus dem Staub gemacht hat? Er könnte ja auch einfach nur verreist sein, zum Beispiel, um seinen alten Vater zu besuchen?» Sebastians nachvollziehbarer Einwand machte die Sache nicht leichter.
    Billy warf einen kurzen Blick in seine Papiere, um sich zu vergewissern.
    «Beide Eltern sind tot.»
    «Okay, aber er könnte ja auch jemand anderen besuchen, der noch lebt?»
    «Schon möglich», bestätigte Torkel, «wir wissen nicht, wo er sich aufhält.»
    «Könnte Ursula nicht ein bisschen in seiner Wohnung herumschnüffeln?»
    Torkel stand auf und begann, auf und ab zu gehen. Er unterdrückte ein Gähnen. Die Luft in diesem Raum wurde schnell stickig. Im Gegensatz zu allem anderen hier war die Ventilation offenbar nicht auf dem neusten Stand.
    «Wir haben zu wenig gegen ihn in der Hand, um einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken. Wenn wir Roger mit der Gegend dort in Verbindung bringen könnten, dann vielleicht, aber im Moment nicht.»
    Ein resigniertes Schweigen machte sich im Zimmer breit. Billy unterbrach die düstere Stimmung. Zu seinen wahren Stärken gehörte es, immer nach vorn zu sehen, auch wenn sich die Probleme häuften.
    «Ich habe mit dem Kriminaltechnischen Labor gesprochen. Sie können alle SMS rekonstruieren, sogar die bereits gelöschten. Außerdem sind die Anruflisten von der Telefongesellschaft unterwegs.» Billy hielt inne, als Vanjas Telefon klingelte. Sie warf einen Blick auf das Display, entschuldigte sich und verließ den Raum. Torkel und Billy sahen ihr verwundert nach. Sie konnten sich an kein einziges Mal erinnern, bei dem Vanja wegen eines privaten Gesprächs die Arbeit zurückgestellt hatte. Es musste wichtig sein.
     
     
    Das Telefonat mit ihrem Vater hatte eine Menge Gefühle in Vanja aufgewühlt, und sie verließ das Präsidium, um ihre Gedanken zu ordnen. In der Regel gelang es ihr, Beruf und Privatleben weit voneinander zu trennen. Wie zwei parallele Welten, die nur selten zusammentrafen. Doch im letzten halben Jahr war ihr das zunehmend schwergefallen. Ihre Kollegen hatten ihr nichts angemerkt, dafür war sie zu diszipliniert, doch die Befürchtungen und Sorgen hatten an ihr gezehrt.
    Im Zentrum ihrer wild durcheinanderwirbelnden Gedanken stand der Mann, den sie über alles liebte, ihr Vater Valdemar. Eine Unruhe, die man verdrängte, kehrte immer wieder zurück. Je energischer man sie von sich schob, desto aufgeladener kam sie zurück. In der letzten Zeit war es immer schlimmer geworden, und Vanja war jeden Morgen früher aufgewacht, ohne wieder einschlafen zu können.
    Sie bog nach links in den kleinen Schlosspark ab. Vom Mälarensee wehte ein leichter Wind, die frischgrünen Triebe und das junge Laub wiegten sich und raschelten im Wind. Ein Frühlingsduft lag in der Luft. Vanja stapfte über den weichen Boden, ohne ein richtiges Ziel vor Augen zu haben.
    Das erste Ergebnis nach der Chemotherapie war also positiv ausgefallen, doch es würden weitere Tests folgen.
    Die Bilder kehrten zurück. Das Krankenhaus. Vor acht Monaten, als sie die Diagnose erhalten hatten. Die Mutter hatte geweint. Der Arzt hatte neben ihrem Vater gestanden und professionell ausgesehen. Das hatte Vanja an jene Male denken lassen, in denen sie selbst so eine Rolle einnehmen musste. Ruhig und konzentriert gegenüber dem Opfer und den Angehörigen. Diesmal waren die Rollen vertauscht. Sie hatte ihren Gefühlen einfach freien Lauf gelassen. Die Diagnose war nicht schwer zu verstehen gewesen. Entartete Zellen in der Lunge. Lungenkrebs.
    Vanja war neben ihrem Vater auf dem Stuhl zusammengesackt. Ihre Lippe hatte ein wenig gezittert, ihre

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