Der Mann, der kein Mörder war
herausfordernd an. Ein Wunder, wenn sie nicht auch noch grauäugig ist, dachte Sebastian und trat näher. Tatsächlich.
Vanja stellte sich und Sebastian vor und erklärte, dass sie Axel Johansson suchten. Ob die Nachbarin möglicherweise wisse, wo er sich aufhielte? Anstelle eines Ja oder Nein bekamen sie eine nicht völlig überraschende Gegenfrage zur Antwort.
«Was hat er denn gemacht?»
Die kleine graue Nachbarsoma erhielt eine vage Standardantwort.
«Wir möchten nur kurz mit ihm reden.»
«Reine Routine», ergänzte Sebastian, eigentlich mehr zum Spaß. In Wirklichkeit sagte niemand «reine Routine», aber irgendwie passte es gerade so gut. Als ob die alte graue Dame es erwartete. Vanja signalisierte ihm, dass sie es keineswegs lustig fand. Das hatte er auch nicht erwartet. Sie wandte sich wieder der Nachbarin zu und erhaschte gleichzeitig den Namen über ihrem Briefschlitz.
«Frau Holmin, wissen Sie denn zufällig, wo er sein könnte?»
Frau Holmin wusste es nicht. Sie wusste nur, dass er nicht zu Hause war. Und zwar seit mehr als zwei Tagen. Da war sie sich sicher. Nicht dass sie kontrolliere, was im Haus geschehe und wer komme und gehe, nein, aber gewisse Dinge bekäme man eben mit, ob man wolle oder nicht. Zum Beispiel, dass Axel Johansson vor einiger Zeit gefeuert wurde. Oder dass seine viel zu junge Freundin vor einigen Tagen ausgezogen war. Das sei allerdings auch an der Zeit gewesen. Was sie an diesem Axel gefunden hatte, begriff Frau Holmin nicht. Nicht, dass Axel auf irgendeine Weise unangenehm sei, aber er sei eben ziemlich eigen. Bliebe lieber für sich. Unsozial. Grüße kaum im Treppenhaus. Das Mädchen sei dagegen ziemlich gesprächig gewesen. Und sehr nett. Der Meinung seien alle im Haus. Nicht, dass sie spioniere, aber das Haus sei eben hellhörig, und sie habe einen leichten Schlaf, deshalb wisse sie so viel. Aus keinem anderen Grund.
«Ist denn oft viel los bei Axel?»
«Ja, ziemlich viel. Oft kommen Jugendliche. Es geht ständig das Telefon oder die Türklingel. Was für ein Verdacht besteht denn gegen ihn?»
Vanja schüttelte den Kopf und wiederholte nur, dass sie Johansson sprechen müssten. Sie lächelte der Nachbarin zu, streckte ihr ihre Visitenkarte entgegen und bat sie, anzurufen, wenn sie Johansson zurückkommen hörte.
Die kleine graue Alte betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die Visitenkarte mit dem Logo der Reichskriminalpolizei. Es schien, als zähle sie nun zwei und zwei zusammen. «Hat das etwa was mit dem toten Jungen zu tun?» Ihre grauen Augen funkelten erwartungsvoll, als sie auf der Suche nach Bestätigung zwischen Vanja und Sebastian hin und her blickte. «Er arbeitete in derselben Schule, in die auch der Junge ging, aber das wissen Sie sicher schon?»
Vanja kramte in ihrer Innentasche.
«Wissen Sie, ob der mal hier gewesen ist?»
Sie zog das Foto von Roger hervor, das alle Polizisten bei sich trugen. Es stammte vom letzten Besuch des Schulfotografen. Sie hielt es der grauen Dame entgegen, die einen kurzen Blick darauf warf und den Kopf schüttelte.
«Ich weiß nicht, ich finde, die sehen alle gleich aus mit ihren Mützen und Kapuzen und ihren viel zu großen Jacken. Ich kann es nicht sagen.»
Vanja und Sebastian dankten ihr und erinnerten sie noch einmal daran, dass sie von sich hören lassen sollte, sobald Axel wieder auftauchte.
Als sie die Treppe hinunterliefen, holte Vanja ihr Handy hervor und rief Torkel an. Sie schilderte kurz die Lage und schlug vor, Axel Johansson zur Fahndung auszuschreiben. Torkel versprach, sich sofort darum zu kümmern. An der Haustür stießen sie fast mit einer Person zusammen, die gerade auf dem Weg ins Haus war. Haraldsson. Vanjas Miene verfinsterte sich sofort.
«Was machst du hier?»
Haraldsson erklärte, dass sie den Auftrag hatten, in dieser Gegend nach Zeugen zu suchen. Roger Eriksson war auf einem Film der Überwachungskamera auf der Gustavsborgsgatan zu sehen, aber auf keiner anderen, was der Fall hätte sein müssen, wenn er weiter der großen Straße gefolgt wäre. Also musste er irgendwo abgebogen sein, und dieser Bereich war Teil des möglichen Gebiets. Jetzt war man auf der Suche nach Zeugen, die ihn am Freitagabend gesehen hatten.
Klinken putzen. Vanja hatte das Gefühl, dass Haraldsson endlich auf der richtigen Position gelandet war. Also lag Axel Johanssons Haus innerhalb des Suchgebiets. Der Strohhalm war noch etwas greifbarer geworden.
Es war eine erschöpfte Truppe, die sich da um den
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