Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
mir in die Augen, ich musste mich hinlegen und pausieren; ich bog mir verschiedene Zinken zurecht: lang, kurz, doppelt geschwungen – Bockmist, der Büroklammer-Draht war viel zu weich, vor allem daran scheiterte die ganze Aktion. Die Finger meiner geschwollenen Hand waren glitschig vor Schweiß, und alles rechts von mir bis hinunter in die Fingernägel peinigte mich mit Schmerzen, die meinen Körper schließlich lahmlegten. Ich wollte nicht aufhören, ich wurde aufgehört.
Es gibt einen Ausweg, sagte ich mir, im Dunkeln an die Decke starrend, es gibt immer einen Au sweg, ich muss weitermachen, es noch mal versuchen und danach noch mal und noch mal...
Ich musste eingeschlafen sein und wachte nun auf mit der Büroklammer in den verkrampften Fingern. Der Schweiß war getrocknet. Wie spät es wohl sein mochte, vielleicht schon gegen Morgen, egal, ich musste weitermachen. Meine rechte Hand zitterte hilflos, ich traf nicht mal mehr das Schlüsselloch. Aber es fiel mir etwas auf: Das Bet tgestänge, an das die Handschelle gekettet war, sah aus wie zusammengesteckt. Über meinen linken, angeketteten Arm hinweg stieg ich aus dem Bett, wartete, über die Matratze gebeugt, bis mein Kreislauf mit meinen senkrechten Beinen zurechtkam, würgte die Übelkeit in meiner Speiseröhre hinunter in den Magen und untersuchte das Bettgestänge. In der Mitte sah es aus wie aus zwei Rohren ineinandergeschoben.
Der Point of no return – wie spät mochte es wohl sein? Pfeif drauf! Ich zögerte keine Sekunde, warf Kop fkissen und Bettdecke auf den Boden, hob die Matratze hoch, zerrte sie aus dem Bettrahmen, stieß dabei das Fieberthermometer in seiner Plastikhülle vom Nachtschränken, es fiel auf den Boden und klirrte leise, egal. Ich untersuchte das Bettgestänge nach einer Verankerung der Teile, nach irgendeinem Knopf oder Hebel, mit dem es sich hätte zerlegen lassen. Ich fand nichts.
Also nackte Gewalt. Ich schob das Bett von der Wand in die Mi tte des Raumes, mein rechter Arm quoll auf dabei, schien zu platzen, schien die Verbände zu sprengen, ich musste aussetzen. Warten, noch länger warten. Mein Körper und schlappmachen, kommt nicht in Frage! Ich packte den Bettrahmen und zerrte. Nichts rührte sich. Ich hob das Bett hinten hoch und rüttelte. Nichts.
Meine rechte Hand war kurz davor, den Dienst zu versagen. Ich t astete mich zurück zur Seite des Bettgestänges. Dort, wo die Rohre ineinandergeschoben aussahen, packte ich links und rechts an. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich, atmete tief ein und aus – und zog mit aller Kraft, wie man an einem Expander zieht, in dieser Übung war ich immer gut gewesen.
Ich schrie ohne es zu wollen. Die Teile waren wie miteinander ve rschweißt. Ich begriff, dass es sinnlos war, und im Moment des Begreifens packte mich die Wut. Ich wuchtete das Bett hoch, wollte es umwerfen und an die Wand schleudern, glitt mit meinen schweißnassen Händen am Metallrohr des Gestänges ab, wurde vom Schwung der eigenen Raserei nach hinten geschleudert, kippte auf den Rücken, hatte das Gefühl, meine linke Hand sei frei, setzt zu innerem Jubel an, aber stieß im gleichen Augenblick mit dem geschwollenen Arm an der Stelle des Bisses hart gegen ein Heizungsrohr.
Ich muss g ebrüllt haben, ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass ich auf dem Rücken liegend wieder zu Bewusstsein kam, meinen linken Arm von mir gestreckt und unverändert am Bettgestänge angekettet. Es war irgendwie heller im Zimmer. Ich musste mich orientieren, brauchte ewig, um zu begreifen, wo ich war, was ich angerichtet hatte, und überschlug in Panik, was die Folgen sein mochten. Der helle Schein kam durch den Türspalt, das war Neonlicht, nicht das funzelige Nachtlicht, es musste also jemand im Haus sein. Eine Art Notprogramm brachte mich auf die Beine. Ich lauschte nach draußen, nichts war zu hören.
Fieberhaft begann ich aufzuräumen. Ich zerrte das Bettgestell an die Wand zurück, keine Ahnung, ob es vorher exakt so g estanden hatte. Die Matratze lag auf der anderen Seite des Bettes. Ich musste mich auf die Metallverstrebungen knien und sie mit meinem unbrauchbaren Arm hoch wuchten – ich schaffte es erst, als ich mit den Zähnen nachhalf. Am Laken scheiterte ich. Die Schwester pflegte es stramm unter mir auszurichten, indem sie die Matratze jeweils ein Stück anhob und es nach einem eingeübten System faltete und unter der Matratze ausrichtete, wozu sie auch als gesunder, frei beweglicher Mensch zwei Hände
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