Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
dir nicht so viele Gedanken, beruhigte ich mich, du kannst nicht alles steuern. Meine Nerv osität legte sich - bis ich sah, dass der Zeiger der Tankuhr auf den Reserve-Strich gerutscht war. Ich konnte nichts tun als hoffen. Selbst wenn eine Tankstelle käme, ich hätte kein Geld für Sprit.
    Untertourig fahren spart Benzin, fiel mir ein, und ich schalt ete vom zweiten in den dritten Gang. Ich versuchte es mit dem angewinkelten Armstumpf, und der Versuch gelang. Noch ein Versuch: zurück in den zweiten Gang, indem ich mich weit vorbeugte und mit der Armbeuge am Ganghebel zog. Auch das ging recht problemlos. Wieder zurück in den dritten Gang.
    Ich konnte Autofahren in me inem Zustand! So schlecht konnte es nicht mit mir stehen. Aufmunternd grinste ich mir im Rückspiegel zu, erschrak über mein abgemagertes, fieberheißes Gesicht und gewann doch ein bisschen neuen Mut und gute Laune durch mein Grinsen. Ich war auf dem Heimweg! Was auf diesem Weg alles passieren konnte, musste ich einfach ausklammern aus meinen Gedanken.
    Das zweite Dorf kam ganz unvermutet nach einer Kurve und war wi nzig. Inzwischen musste es später Nachmittag sein, vielleicht waren alle noch auf den Feldern oder schon beim Abendbrot. Vielleicht war das Dorf auch verlassen, ich sah schiefe Zäune und verwilderte Gärten. Ich atmete auf, als ich die Häuser hinter mir ließ. Noch zehn Kilometer.
    Die Tan kanzeige stand unverändert auf dem roten Strich, was mich nun nicht mehr beunruhigte. Dieser Abschnitt meiner Flucht war gelaufen. Ich war in Gedanken schon bei Problemen, die in den nächsten Tagen auf mich zukommen würden. Wie viele Grenzen lagen zwischen hier und der Freiheit? Von Kasachstan nach Russland, von Russland nach Weißrussland, von Weißrussland nach Polen und von dort in die Bundesrepublik.
    Diese letzte Grenze würde ich im Führe rhaus eines der Laster überqueren, bildete ich mir ein, aber an den Grenzen davor würde Petrowna mich absetzen lassen, und das bestimmt nicht nur ein paar hundert Meter davor. Ich würde mich durch unwegsames Gelände schlagen müssen, vielleicht durch Flüsse und Sümpfe, über Gebirge, durch Wälder und dorniges Unterholz. Ich hatte den Everest bezwungen, beinahe, aber damals war ich jung, gesund und durchtrainiert, zweiarmig. Ich verfügte über die modernste und teuerste Ausrüstung.
    Jetzt trug ich die durchgelatschten Filzstiefel des seligen Ho nkes senior, die mir mindestens zwei Nummern zu groß waren, und von Pastor Näb hatte ich einen wattierten Mantel bekommen, der zwar wärmte, aber wie ein Segel an mir herumschlotterte, und eine Pelzmütze, die so sehr auftrug, dass sie mich zur Zielscheibe machte. Ich hatte Fieber und Schüttelfrost. Der kurze Anstieg heute Morgen von der Kirche auf den Hügel hatte mich nach Luft ringen lassen. Petrowna tat sich leicht. Wie lange würde er hinter jeder Grenze auf mich warten? Gewiss würde ich Vorsprung durch die langen Abfertigungszeiten seines Konvois haben, aber was, wenn ich mich verirrte?
    Das Problem der Grenzübertritte beschäftigte mich derart, dass mich nicht einmal die Ankunft an meinem Tagesziel davon ablenken konnte. Fast hätte ich die Scheune übersehen. Sie lag nicht, wie Petro wna behauptet hatte, neben der Straße, sondern gut 100 Meter abseits auf einer Anhöhe. Der Feldweg von der Straße aus dorthin war ein Trümmerfeld aus Schlaglöchern und Verwerfungen.
    Schon auf den ersten Metern blockierten Stei nbrocken so groß wie Melonen den Weg. Ich musste aussteigen und sie zur Seite rollen. Gut drei Meter breit war ein Strom von Schmelzwasser, der sich über den Weg ergoss und ihn zur Hälfte in breiten Furchen ausgewaschen hatte. Ich erwog schon, das Auto hier abzustellen und die Scheune zu Fuß zu erkunden, aber das herrenlose Fahrzeug wäre von der Straße aus zu sehen gewesen. Obwohl mir auf dem Weg hierher kein einziges Auto begegnet war, schien mir dieses Risiko größer als das, durch die reißenden Fluten zu fahren. Der Weg trug, und danach wurde er besser.
    Die Scheune war windschief, aber stabil. Ich parkte den Wagen d ahinter, würgte den Motor ab und stieg gar nicht erst aus. Ich drehte den Sitz so weit wie möglich zurück, machte es mir bequem und schloss die Augen.
    Mein Körper glühte vor Fieber. Es kam nicht in Frage, b eschloss ich, in diesem Zustand mich durch unbekanntes Gelände zu schlagen. Vielleicht konnte man die Grenzer schmieren. Petrowna hatte ganz sicher genug Geld, und wenn nicht, konnte er an welches

Weitere Kostenlose Bücher