Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Pirmin, zeig doch ein bisschen Mitgefühl mit e inem, der unsere Hilfe braucht. Schau ihn dir doch mal an in seinem Elend. Du tust so viel Gutes, wie kannst du bei ihm so hartherzig sein?“
„Ich bin für diejenigen da, die unverschuldet in Not sind. Der da hat sich selbst reingeritten, und wegen dem soll ich das ganze Hilf sprojekt gefährden? Außerdem ist er todkrank. Wie er zittert und wie sein Gesicht glüht, der hat hohes Fieber und Schüttelfrost. Der stirbt mir noch unterwegs, dann habe ich eine Leiche am Hals. Weißt du, was das heißt in diesem Land?“
„Ich sterbe nicht“, sagte ich entschieden. „Und ich werde ke ine Schwierigkeiten machen.“
„Richtig, und zwar weil wir gleich aufbrechen und Sie hierla ssen.“
„Meine Idee“, sagte ich, „ist nicht ganz ohne Risiko, aber e inen Versuch wert. Sie wollten doch über Nacht bleiben, Pastor Petrowna, oder, damit die Fahrer sich ausruhen können?“
„Wollte er“, antwortete Justus Näb an Petrownas Stelle.
„So lange die Laster hier im Dorf sind, denkt der Mann, dass ich auch noch hier bin. Aber ich fahre schon voraus mit dem Elselchen von Pastor Näb, am besten jetzt gleich, so lange er noch nicht wieder zurück ist. Wenn ich nicht schnell fahre, kann ich mit links schalten, denke ich. Sollte ich der Polizei auffallen oder der Mann was merken und mir seine Leute hinterherschicken, dann sage ich, dass ich mich auf eigene Faust im Dorf versteckt und das Auto gestohlen habe, das verspreche ich Ihnen. Ich ziehe niemand von Ihnen hinein.“
„Und was soll das bringen?“, fragte Petrowna ungeduldig.
„Wenn Sie morgen aufbrechen, dann benehmen Sie sich möglichst auffällig, so als würden Sie etwas verbergen. Der Mann wird dann gleich, wenn sie starten wollen, nach mir suchen, oder Sie ein paar Kilometer weiter abfangen. Er wird nichts finden und denken, er hat sich getäuscht.“
Pastor Näb grinste verschwörerisch.
„Ich verstehe. Du wartest irgendwo an der Strecke an einsamer Stelle und keiner merkt, wenn du einsteigst und mitfährst. Mein Elselchen hole ich mir später, fahre mit Bus dorthin, kein Problem für mich. Was hältst du davon, Pirmin?“
„Er hat recht“, antwortete Petrowna ruhig. „Dieser Plan ist nicht ohne Risiko. Wenn dieser Fre mde nämlich wirklich von der Polizei oder ein Verbrecher ist, dann fangen die uns womöglich nach 100 oder 200 Kilometern noch mal ab, die sind ja nicht blöd. An den Grenzen wird übrigens auch gründlich kontrolliert, und zwar jedesmal jeder unserer Laster, die schauen in jede Ritze. Warum, frage ich dich, Justus, sollte ich dieses Risiko eingehen? Sage jetzt nicht, der Mann ist reich und spendet für unsere Sache. Du weißt, dass ich solches Geld nicht will.“
„Ich will dir sagen, warum. Wenn wir das nicht versuchen, wie soll es dann weitergehen mit diesem Mann? Soll er in den Wald g ehen und verhungern?“
„Wenn er wirklich unschuldig ist, soll er sich stellen. Her rgott noch mal, Justus, das ist doch außerdem nicht dein Problem!“
„Ach nein? Vielleicht ist es auch nicht mein Problem, wenn e iner der Männer aus meinem Dorf hier trinkt und verliert seine Arbeit und hängt sich im Dachstuhl auf. Und seine Tochter, die selbst noch ein halbes Kind ist, hat ein Baby in Bauch, lässt es wegmachen und landet auf dem Strich. Und ihr jüngerer Bruder will helfen und gerät dabei in die Hände von Gaunern. Hat zwar vorher schon nichts getaugt, aber nun hat er große Pläne und verlässt unser Dorf in die Bundesrepublik Deutschland, will dort reich werden durch Kriminalität, und sein Mütterchen hier stürzt in Verzweiflung, weil sie nicht begreifen kann, was aus ihre Familie geworden ist...“
„Aber das ist doch etwas völlig anderes!“, empörte sich Petro wna. Pastor Näb redete unbeirrt weiter.
„...und ihr Sohn macht dann auch noch einem einheimischen Deu tschen dort das Leben schwer, ob dieser Deutsche nun ein Taugenichts ist, egal, und entführt ihn in unser Land hier und bringt ihn unschuldig ins Gefängnis, nimmt ihm Gesundheit und zerstört ihm sein ganzes Leben, aber natürlich, das alles ist nicht mein Problem.“
Pirmin Petrowna knetete seine dürren Hände. Er warf mir einen Blick über die Schulter zu, schnaufte tief durch die Nase ein und drehte den Blick zur Windschutzscheibe, starrte blicklos die Straße entlang.
„Vielleicht wäre es nie sein Problem geworden“, sagte Pastor Näb und deutete mit dem Kopf in meine Richtung, „wenn ich die ganze
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