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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Straße. Wenn ich sie nicht einholte, war ich verloren in diesem Land.
    Dann kam mir mit einem Gefühl von Erleichterung die Einsicht: N atürlich, das war nicht der Treffpunkt gewesen. Alte Scheune an der Straße, hatte Petrowna gesagt. Ich hatte, in Gedanken an Grüne Grenzen vertieft, am erstbesten Schuppen angehalten und gewartet. Die richtige Scheune kam wohl erst noch, und dort würde der Konvoi ohnehin stoppen. Ich hörte auf, das „Elselchen“ mit Vollgas zu quälen. Der Regen ließ etwas nach, die Straße hatte die Anhöhe erklommen und streckte sich in eine endlose Steppenebene hinein.
    Rund einen Kilom eter vor mir sah ich die Kolonne. Eine andere Scheune entdeckte ich bis zum Horizont nicht. Schweiß nässte meine Hände. Ich erschrak, als ich mir dessen bewusst wurde, denn ganz deutlich fühlte ich auch die rechte Handfläche schwitzen, es half nicht einmal ein Blick auf den Stumpf gegen dieses Narretei meiner Nerven. Ich fühlte mich so schwach. Der Schweißausbruch erfasste meinen ganzen Körper, während ich zugleich fröstelte in meinen durchnässten Sachen.
    Lappalien im Moment. Ich ignorierte die Schwäche, straffte mich im Sitz, beugte mich übers Len krad und trat das Gaspedal wieder ganz durch. Ob da nun noch eine Scheune kam oder nicht, in einigen Minuten hatte ich die Lastwagen ohnehin eingeholt.
    Der Regen wurde wieder stärker. Die Kolonne vor mir rückte n äher und wurde zugleich undeutlicher. Als ich aufgeholt hatte, waren Regen und Nebel so stark, dass ich gerade mal das rote Rücklicht des letzten Lastwagens in der Reihe sah, die Plane der Ladefläche verschwamm mit dem Grau des Vordergrundes. Die Straße war schmal. Verdammt schmal. Ich setzte zum Überholen an, wollte ganz eng an dem Laster vorbei und sah mein linkes Vorderrad schon über den Straßenrand das Bankett berühren, obwohl mein rechtes Vorderlicht noch am linken Rücklicht des Anhängers klebte. Ich kam nicht weiter nach links.
    Ich blieb so weit drüben, wie es ging, und drückte die Hupe.
    „Möp möp möp“, mühte sich das Elselchen gegen das Regenrauschen. „Möpmöpmöpmöpmöp!“
    Lichthupe! Lichthupe!
    Die war hell, die mussten sie doch sehen in ihren Rückspiegeln!
    Plötzlich ein Ruck. Verdammt, ich war wohl am Vordermann ang edockt! Ich ließ mich einen Meter zurückfallen. Noch ein Ruck. Etwas drosselte den Motor. Mein Abstand zur Kolonne wuchs. Ich gab Vollgas, Dauerhupe, Dauerlichthupe, Dauerhupe. Die roten Lichter vor mir tanzten mir davon, wurden zu roten Punkten, einem matten roten Schein in der Ferne.
    „Fluppfluppflupp“, machte der Motor wie abgewürgt und nur noch durch den Schwung der Fahrt angetrieben. Ich wollte das nicht hinnehmen, riss die Tür auf, da rollte das Auto noch im Tempo e ines Langstreckenläufers, und stieg aus, als würde es schon stehen.
    Die Straße zog mir die Beine unter dem halb aus dem Auto gebeu gten Körper weg. Ich strauchelte, knallte mit dem Kopf irgendwo gegen, prellte mir das Knie, kugelte in den Straßengraben, rollte mich ab und nahm den Schwung, um gleich wieder auf die Beine zu kommen, die Böschung hoch, die Straße entlang.
    Ich rannte und schrie und winkte wie irr mit meinen eineinhalb Armen. Ich rannte und rannte und kann mich nicht an den Moment erinnern, an dem mein Körper aufhörte zu rennen, stolperte und zu Fall kam.
     
    Vielleicht waren es ja nur Sekunden, die mir fehlten. Ich füh lte mich noch außer Atem, als ich aufwachte, wie am ganzen Körper mit Steinen beworfen, heiß und zugleich fröstelig. Regen troff mir ins Gesicht. Keine roten Lichter mehr, keine roten Punkte, kein matter roter Schein in der Ferne. Keine Menschen, die doch noch auf mich warteten.
    Mein Leben war zu Ende. Mal wieder, dachte ich, aber dann war es doch immer irgendwie weitergegangen. Nur: Diesmal war es kein A nflug von Hoffnung, was mich auf die Beine stellte, sondern ein Automatismus, den ich einfach zuließ. Weiter, viel weiter als ich geschätzt hätte, wäre mir Schätzen ein Bedürfnis gewesen, musste ich zum Auto zurücklaufen. Es war mitten auf der Straße zum Stillstand gekommen, die Fahrertür war angelehnt. Das Wägelchen war leicht zu schieben. Ich stellte es halb in den Graben, so, dass auch ein Lastwagen gefahrlos daran vorbeikäme, zog den Zündschlüssel ab und verschloss die Tür. Dann machte ich mich auf den Weg zurück.
    Ich dachte mir nichts dabei, hatte keine Vorste llung, keinen Plan. Ich weiß nicht, was mir durch den Kopf ging. Ich denke, ich war

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