Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
Vom Netzwerk:
herankommen. Der Spinner hatte Erkundigungen über mich eingezogen und verachtete mich für meinen Lebensstil, aber wenigstens wusste er, dass ich ihm nichts schuldig bleiben würde.
    Wir würden schon klar kommen. Ein e hrenvolles Raubein wollte der sein, dachte ich, aber mir machte der nichts vor. Niemand war wirklich so wie er scheinen wollte. Du schickst mich über keine Grüne Grenze, Pirmin Petrowna...
     
    Ich hatte wieder zwei Arme. Verrückt war das. Ich wusste im Traum, dass ich träumte, und doch war es so tröstlich und so normal, Melanie mit zwei Armen umfassen zu können. Ob Arm oder Armstumpf, was soll’s, ist doch einerlei, auf andere Dinge kommt es an. Ich weiß nicht, ob ich das dachte in diesem Traum oder ob Melanie es mir mit ernstem Blick suggerierte.
    Ein wälzendes Bru mmen störte uns, und ich dachte: Haben wir etwa eine Waschmaschine in unserem Haus? Melanie kann doch gar nicht und will auch nicht Wäsche waschen, dafür haben wir Silke, die unsere Sachen zur Reinigung bringt. Melanie löste sich aus meinem Griff und dachte mit ernstem Blick: Ich kann alles, wenn ich muss. Es ist so weit.
    Der Traum verlor sich. Das wälzende Brummen blieb. Ich musste mich orientieren. An welcher Stelle des Films war ich gleich wieder? N eben mir die Scheune, vor mir ein Lenkrad. Keine rechte Hand. Es regnete aus grauen Wolkenschleiern. Ich musste dringend aufs Klo. Ich hatte Fieber. Ich würde gleich abgeholt werden.
    Dieses wälzende Brummen, was war das nur?!
    Ich stieg aus, öffnete meine Hose und pinkelte an die Scheune. Regentropfen rannen mir in den Hals. Ich roch meinen eigenen Schweiß. Regenprasseln ringsum, dazu dieses Rumoren.
    Das waren doch Motoren!
    Ich rannte um die Scheune herum. Auf der schmalen, gewundenen Straße fuhr eine Kolonne von Lastwagen vorüber. In einer engen Linkskurve direkt unter mir, der ein Anstieg folgte, schalteten sie nacheinander in einen tieferen Gang, was dem einheitlichen Brummen ein regelmäßig wälzendes Röhren beimischte. Das erste Fahrzeug des Konvois sah ich schon nicht mehr, aber das letzte. Sie fuhren vorüber!
    Ich machte einen Satz zum Auto, strauchelte auf nassem Gras, wollte mich mit der rechten Hand an der Fahrertür abfangen. Der Stumpf prallte ans Fenster und glitt ab. Ich verlor das Gleichg ewicht, fiel der Länge nach in eine Pfütze und stieß mir die Hüfte an einem Stein.
    Hoch und weiter, auch wenn es wehtut, rein ins A uto! Der Zündschlüssel ragte nach rechts. Ich beugte mich zum Beifahrersitz, aber mit der linken Hand aus verdrehtem Handgelenk heraus eine Bewegung zu machen, die man mit der rechten gewohnt ist und die automatisiert ist auf „mit der rechten nach rechts“ gab mir einen kleinen Einblick in die Grenzen der Gehirnverschaltung. Ich drehte in die falsche Richtung in meiner Panik, immer wieder mit der linken nach links.
    Die fahren vorbei, nun mach schon! Die s ehen die Scheune nicht vor lauter Regen und Nebel. Ich warf mich über den Ganghebel auf den Beifahrersitz, konzentrierte mich, „mit der linken nach rechts“, der Motor leierte und ersoff mit einem Ruck. Was denn, verflucht noch mal? Eingelegter Ganghebel. Raus damit, noch mal.
    Der Motor sprang an. Ich warf mich z urück auf den Fahrersitz, Gang rein per Stumpf, los ging es um die Scheune herum. Zweiter Gang. Meine letzte Chance! Ein Schlagloch erschütterte meine geprellte Hüfte. Schnell, aber bloß nicht zu schnell fahren! Die Windschutzscheibe zerrann in Regenbächen. Wo war nur der Hebel für den Scheibenwischer? Noch ein Schlagloch, ein scharfes Kratzen am Wagenboden. Langsam, Mensch, du holst sie doch auf der Straße leicht wieder ein. Ich zwang mich zu Schrittgeschwindigkeit. Wann kam denn endlich die überflutete Stelle? Nicht dass ich auch noch falsch fahre!
    Plötzlich ein Sturzbach mitten über dem Weg. Aus dem Schmelzwa sserstrom war mit dem Regen ein doppelt so breiter Wasserfall geworden. Ich stoppte, stieg aus. Der Weg war nicht zu sehen. Kurzentschlossen rannte ich ein paar Meter hinein in die Fluten. Der Weg war noch da, und die Wand aus Wasser nur Gischt. Patschnass stieg ich zurück in den Wagen und fuhr geradewegs hinein in das Tosen und Spritzen. Fünf Meter, sechs, vielleicht zehn, dann war ich durch, die Straße kam in Sicht. Ich kurbelte das Lenkrad nach rechts, rammte den zweiten Gang hinein, gab Gas, dritter Gang, vierter Gang. Keine Lastwagen weit und breit. Das Autolein des Pastors sauste durch Sturzbäche von Regen über die unbekannte

Weitere Kostenlose Bücher