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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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gefunden oder er mich?
Hat Raukar uns alle gelenkt? Was spielt es für eine Rolle, wenn das Endergebnis
Gerechtigkeit ist?«
    Â»Gerechtigkeit«, wiederholte Tjarka ungläubig. »Und was wird noch
weiter passieren?«
    Â»Ich … weiß … es … nicht. Ich bin nur hier, um Zeuge zu sein und um
im richtigen Moment meine Stimme in die Waagschale zu werfen. Der Mann, der
nicht geboren wurde, hat alles durchgeplant. Keiner der Unruhestifter wird
überleben. Auch du nicht, wenn du dazugehörst.«
    Tjarka spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Ihre Finger
und Zehen wurden eiskalt. »Ich gehöre nicht dazu.« Sie merkte, dass sie
versuchte, selbst daran zu glauben.
    Â»Umso besser. Dennoch kannst du Delbane etwas von mir ausrichten.
Sag ihm, dass es in Terrek meine Aufgabe war, ein Unglück, wie es sich im
Affenmenschenland ereignet hat, zu verhindern. Sag ihm, dass er und seine
Mordgesellen beinahe alles vernichtet hätten. Alles! Den See. Die Flüsse. Die
Wälder. Die Städte und Menschen, Kinder und Frauen. Sag ihm, dass ich mir jetzt
bei jedem Lachen meine Rippen breche, weil meine Knochen porös geworden sind
wie vertrocknete Korallen. Und warum das? Weil ich bis zum letzten Atemzug
gekämpft habe, dass nichts Schlimmeres in diesem Talkessel gedeiht als ein
milder giftiger Nebel, während er und seine Handlanger sich davongestohlen
haben. Sag ihm, dass sein Heiltrank nur ein Hohn war, denn er hat nur mein
Leiden verlängert, nicht jedoch mein Leben. Die Mediziner geben mir noch bis
zum Nebelmond, deshalb machte ich es zur Bedingung, dass das Mammut vorher fällt. Sag ihm auch, dass selbst ich den
Mann, der nicht geboren wurde, nicht mehr aufhalten könnte, auch wenn ich das
wollte. Sag ihm … dass es mir nicht leidtut um alle Opfer, die gebracht werden
müssen. Der Kontinent … ist alles, was wir haben, und wir können ihn nicht in
die Hände von Narren fallen lassen, die nichts über ihn wissen.«
    Â»Eigentlich ist es fast schade«, sagte Tjarka, »dass Ihr Delbane
habt ins Gefängnis werfen lassen, denn sonst könnte er Euch besuchen und Ihr
könntet ihm das alles selbst sagen.«
    Deterio lachte. Vielleicht war es aber auch ein verschlepptes
Husten. Er wollte noch etwas aussprechen, aber es ging nicht mehr. Blut und
Dunkleres quoll über seine Lippen, sein rechtes Auge sah aus, als wären
sämtliche Gefäße geplatzt. Die Bediensteten kümmerten sich um ihn.
    Tjarka unternahm einen letzten Vorstoß, ergriff Deterios Hand, drückte
sie und ließ sich dann von dem Vierschrötigen aus dem Zimmer schieben. Schon
als sie auf dem Flur stand, wunderte sie sich darüber, dass sie dem Sterbenden
hatte Trost zusprechen wollen. Dies war doch der Mann, der Eljazokad und
Estéron auf dem Gewissen und der Bestar in die Flucht getrieben hatte und dem Mammut so die Beine unterm Leib wegschlug! Und dennoch war
er nichts anderes als ein bedauernswerter Siecher. Schatten und Zerrbild eines
Menschen, der er vor seiner Begegnung mit dem Mammut noch
gewesen war.
    Tjarka versuchte, zu Rodraeg zu gelangen, um ihm alles zu erzählen,
was Deterio gesagt hatte, doch an diesem Tag ließen sie die Wächter nicht mehr
zu Rodraegs Zelle. Ihnen war schon längst ein Dorn im Auge, dass einer, der
ihrem Kommandanten nach dem Leben getrachtet hatte, so viel Besuch bekam, und
sie hatten beschlossen, das ein wenig zu unterbinden.
    Rodraeg blieb den ganzen Tag
allein und auch die ganze Nacht.
    Aus seinem eingeengten Blickwinkel war
Tjarka auf der Suche nach Deterio verloren gegangen. War auch sie ermordet
worden? Oder aus der Stadt geflüchtet?
    War überhaupt noch jemand da, oder wuchsen allen schon längst
schwarze Nadeln aus den Köpfen?
    Gegen Mitternacht begann Cruath Airoc Arevaun in seiner Zelle zu
heulen und zu toben wie ein reißender Wolf. Acht Gardisten waren nötig, ihn zu
bändigen. Rodraeg konnte die Zelle des Klippenwälders nicht sehen, sosehr er
sich auch an die Gitterstäbe schmiegte, aber das Gebrüll und die Geräusche
zerreißender Kleidung, durcheinanderwirbelnder Körper und auf Muskeln
treffender Schlagstöcke waren beunruhigend genug. Schließlich kehrte Ruhe ein,
und die Gardisten brachten ihre Verwundeten zur medizinischen Versorgung.
    Â»â€¦Â wie ein Werwolf«, hörte Rodraeg einen sagen. »Nur ohne das Gebiss
und so! Aber eher wie ein Tier als wie ein

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