Der Mann, der nicht geboren wurde
Ihr wollt Euer
Leben wegwerfen, um dieses ⦠Mörders habhaft zu werden?«
»Es geht mir nicht um Vergeltung. Es geht darum, euch allen eine
Zukunft zu ermöglichen. Ihr seid so unfassbar wichtig für den Kontinent â ihr
habt noch nicht im Ansatz begonnen zu erahnen, wie wichtig. Mir bleiben doch
ohnehin nur noch ein paar Jahre, in denen ich immer kindischer, alberner und
ungeschickter werde. Nein, mir liegt nichts an diesen Jahren. Ich finde es gut,
so, wie es sich nun andeutet. Und den Mann, der nicht
geboren wurde , werden wir dadurch mit seinen eigenen Methoden schlagen.«
»Also, wie stellst du dir das genau vor?«, fragte ihn Weraly.
»Ich verjünge mich. Es ist keine besondere Anstrengung, eher ein
Loslassen. Rodraeg tötet mich. Das ist kein Mord, sondern eine Gnade, denn ich
werde auch als Neugeborener immer jünger, bis ich ohne Mutterleib nicht mehr
lebensfähig bin und elend zugrunde gehe. Durch diese Tötung kauft Rodraeg das Mammut frei, und DMDNGW wird
erscheinen. Diesen Augenblick nutzt du, mein Freund Trenc, um ihn anzugreifen
und mit all der magischen Kraft, die ich dir vorher gegeben habe, zu
vernichten.«
Trenc Weraly nickte heftig. Die Aussicht, seinen alten Erzfeind doch
noch eigenhändig besiegen zu können, bevor das Alter ihn niederstreckte, lieÃ
ihn völlig über die Grausigkeit der Kindstötung hinwegsehen.
Rodraeg schüttelte nur den Kopf. »Ich kann das nicht tun. Ich kann
Euch nicht töten, Riban. Selbst wenn es ein Gnadenakt wäre. Ich kann keinen
Säugling erschlagen.«
»Nicht irgendeinen Säugling. Mich. Komm mit mir, Rodraeg. Lass uns
ein paar Schritte gehen. Ich werde dir unter vier Augen einen guten Grund
nennen, mich zumindest zu verachten.«
Verwirrt erhob sich Rodraeg und folgte dem lächelnden Knaben. Sie
gingen, bis sie auÃer Hörweite des alten Obersts waren.
Der Fluss war ohne Schiffe. Ein paar Fische bewegten sich im Wasser.
Leichter Nebel hob sich von der Oberfläche. Der Dunst roch nach feuchtem Stroh.
»Ich muss dir ein Geständnis machen«, sagte Riban. Sie standen nun
auf einer kleinen Landzunge, die einige Schritte weit in den Fluss hineinragte.
Auf drei Seiten waren sie beide von nachtschwarzem Wasser umgeben. Hinter
Ribans Kopf jedoch verliehen bereits die ersten tastenden Strahlen der
Morgensonne dem Himmel tiefgründige Schattierungen. Dunkelblaue Wolken
zeichneten sich vor einem heller werdenden Himmelszelt ab. »Was Naenns
Schwangerschaft angeht: Ich habe das Geschehen gelenkt. Ich habe ihr Ryot
Melron zugeführt, einen Mann, den ich handverlesen hatte. Es war kein Zufall,
dass er euch begegnete. Indem ich ihn Naenn schwängern lieÃ, kurz bevor ihr
beide bei mir in Aldava ankamt, konnte ich mich gleich von der Wirksamkeit der
Befruchtung überzeugen. Ryot Melron, Sohn des Barons der Roten Wand, hatte die
idealen Anlagen, um mit Naenn ein herausragendes Kind zu zeugen. Ein Kind, das
den alten Traum von der Vergöttlichung der Menschheit in sich trägt. Ein
Brückenkind zum Himmel. Ich bin dafür verantwortlich. Aber ich habe Naenn keine
Gewalt angetan. Ich lenkte nichts weiter als den Zeitpunkt und den Ort. Alles
Weitere spielte sich zwischen einem hübschen Jungen und einem schönen Mädchen
ab, so, wie es seit alters her geschieht. Du hättest es verhindern können, aber
auch du konntest dieser Kraft nichts entgegensetzen. Ich sehe, es arbeiten
Empörung und Wut in dir. Entrüstung. Doch ich bin noch nicht fertig. Was deine
Schwarzwachsvergiftung angeht â sie kam mir zupass. Ich hatte sie nicht
angeordnet, aber ich empfand sie als hilfreich.« Alles, was Riban erzählte,
stand in eigentümlichem Kontrast zu seinem kindlichen ÃuÃeren und seiner hellen
Knabenstimme. »Es gab einen Zeitraum in der nur kurzen Geschichte des Mammuts , da hielt ich es tatsächlich für eine gute Idee,
dich an dieser Vergiftung sterben zu lassen. Ich dachte darüber nach, jeden von
euch vieren einer anderen Quelle zum Opfer zu bringen. Dich der Erde. Den
Bogenschützen nach Möglichkeit der Quelle der Luft, weil dies seine Bewaffnung
gespiegelt hätte. Den Klippenwälder der Quelle des Wassers, auch wenn das nicht
so gut gepasst hätte, denn du hast diese Männer
ausgesucht, nicht ich, und deine Beweggründe waren andere, als ein Opfer
darzubringen. Einer jedenfalls fehlte noch, ein Lichtmagier für die Quelle
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