Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
haben, zur
Garde zu gehen und das zu melden! Dann könnte man doch die Tatorte und
angepeilten Opfer sinnvoll im Voraus absichern!«
    Â»Das könnte man, wenn er immer diese DMDNGW- Drohbriefe
verwenden würde. Aber vor zwölf Jahren zum Beispiel hat er mich mit diesen
Briefen nach Somnicke gelockt, nur um unterdessen in Fairai zuschlagen zu
können – ohne vorher dort auch nur einen einzigen Brief hinterlassen zu haben!
Auch jetzt deuteten die ersten Briefe nach Warchaim, die ersten Toten jedoch
gab es in Aldava. Riban zum Beispiel hat nie etwas Schriftliches erhalten, sondern
nur Warnungen und Hohn auf magischer Ebene. Der Mann benutzt seine Bekennerschreiben mitunter also auch, um Verfolger in die Irre zu
führen.« Weraly machte eine kurze Pause, um wieder zu Atem zu kommen. »Es gibt
aber noch einen vierten Grund, weshalb er immer wieder durchkommt mit seinen
Verbrechen: Er ist einfach so ein verflucht effizienter Auftragsmörder! Ich
glaube, dass es mehrere hochrangige Personen gibt, die seine Dienste bereits in
Anspruch genommen haben und beabsichtigen, das auch weiterhin zu tun. Ohne
Auftraggeber gäbe es keine Mordserien. Man schützt ihn ,
womöglich sogar bei Hofe. Deshalb ist meine eigene Lage so isoliert, deshalb
habe ich keine Truppe und keine Nachfolger, und wenn der Tod mich endlich
dahingerafft haben wird, bleibt von meinen Nachforschungen nichts als Papier
übrig. Die Papiere eines alten Narren! Am kommenden Tagesanbruch muss es uns
gelingen – im Morgenlicht, wenn die Kräfte der Finsternis zu schwinden
beginnen, setzen wir alles auf eine Karte, wir drei gemeinsam!« Der Alte
hustete und brauchte eine Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. Sein Körper
nahm ihm alle Strapazen doppelt übel.
    Â»Wer ist dieser Mann, der nicht geboren wurde ?«,
fragte Rodraeg schließlich so behutsam wie möglich. »Ihr habt gesagt, er sei
noch ein Knabe?«
    Â»Wir wissen nicht, ob er einen Namen hat«, bekannte Riban.
»Möglicherweise hat er nie einen bekommen, denn er wurde nicht auf herkömmliche
Weise geboren, sondern aus dem Bauch seiner Mutter herausgeschnitten. Die
Mutter kam dabei um. Der Säugling beobachtete, empfand und lernte. Wir
vermuten, dass er das Zeug zu einem großen Magier hatte, aber aufgrund seiner
fehlgeschlagenen Geburt und noch weiterer seltsamer Komplikationen in seinem
Leben entwickelte er sich nicht, wie sich ein gewöhnlicher Magier entwickelt
hätte. Er lernte, Hass zu kultivieren, sich einen Garten aus Hass anzulegen, in
den er sich zurückziehen und lustwandeln konnte. Als er zwölf Jahre alt war,
gelang ihm die Konstruktion der Zeitnische , wie Trenc
sie bezeichnet. Ein Rückzugsort, an dem man sich erholen kann, ohne dass für
einen selbst Zeit vergeht.«
    Â»Ich habe eine alte Handschrift gefunden«, ergänzte Trenc Weraly,
»die eine kleine Sekte, deren Meister sich der Mann, der
nicht geboren wurde nannte, auf die Jahre 504 bis 506 nach Rinwe
datierte. Dieser Meister soll im Jahre 504 erst unglaubliche zehn Jahre
alt gewesen sein und bereits magisch unterstützte Mörder ausgebildet haben, die
gegen gute Bezahlung Aufträge erledigten. Im Jahre 506 wurde diese
Sekte ausgelöscht, möglicherweise sogar vom Meister selbst. Dort verliert sich
seine Spur, taucht aber genau zwölf Jahre später am anderen Ende des Kontinents
in einem mit kindlicher Schrift gekrakelten Bekennerschreiben wieder auf.«
    Â»Seitdem sind 276 Jahre vergangen, eine Zahl, die durch zwölf teilbar
ist«, sagte Riban.
    Â»Ja«, fuhr der alte Oberst fort. »Und der Junge, der sich ein Mann
nennt, ist in diesen 276 Jahren, wenn er alle zwölf Jahre immer nur für zwei
Monde aktiv ist, kaum vier Jahre älter geworden, also immer noch ein Kind. Ich
selbst bin, wie gesagt, seit achtundvierzig Jahren hinter ihm her, seit ich
damals in Ferbst als junger Offiziersanwärter, noch nicht ganz trocken hinter
den Ohren, mit Morden zu tun bekam, die jeglicher Beschreibung spotteten und
die auch nie aufgeklärt werden konnten. Raukar wiederum, des Meisters
gegenwärtig wichtigster Gehilfe, ist auch schon seit vierundzwanzig Jahren
dabei. Raukar altert, weil sein Meister ihn nicht mit in die Zeitnische nimmt. Er dürfte also inzwischen in den
Vierzigern sein. Seine Aufgabe ist es, die Aufträge zu sammeln und die späteren
Opfer und die – ich nenne sie die Unbewusstmörder –

Weitere Kostenlose Bücher