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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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löschte Hand in Hand mit den
Anwohnern. Im Tempelbezirk läuteten Glocken zur Warnung. Sogar im Schloss
Figelius bimmelte ein hektisches Glöckchen, denn dort in der Nähe war der Brand
aufgelodert und drohte mit Funkenflug.
    Auch im Haus des Mammuts herrschte
Aufregung. Man bekam mit, dass draußen etwas vorging, aber Cajin, der loslaufen
wollte, um sich zu informieren, wurde einmal mehr von Naenn daran gehindert,
alleine aufzubrechen. Rodraeg ging in Bestars Zimmer und versuchte durch das
Fenster in südlicher Richtung den Ursprung des Qualms zu erkennen, doch schon
die Dächer der Häuser auf der anderen Straßenseite waren höher als das nur
zweistöckige Haus des Mammuts und verwehrten
jeglichen weiteren Einblick in die Stadt. Estéron kam die Treppe hinunter und
raunte Naenn zu: »Holz brennt. Tier- und Menschenhaar.«
    Naenns Bauch war inzwischen dermaßen umfangreich, dass sie kaum noch
richtig laufen konnte. Noch zehn Tage etwa bis zur Niederkunft. Estéron war
blind. Es blieben also wieder nur Rodraeg und Cajin, um draußen nach dem Rechten
zu schauen. Rodraeg holte noch das Langschwert, das der Vater von Naenns Kind
ihm vermacht hatte. Seite an Seite rannten Cajin und er los. Ruhig sitzen zu
bleiben, während in der Stadt sich womöglich eine Feuersbrunst ausbreitete, kam
ihnen nicht in den Sinn.
    Warchaimer liefen mit ihnen in Richtung Brand, um zu sehen, ob für
sie selbst und ihre Lieben Gefahr bestand oder ob man helfen musste. Andere
kamen ihnen entgegen und riefen Widersprüchliches wie »Die Weststadt steht in
Flammen!« und »Die Garde hat schon alles im Griff!«.
    Wie sich schließlich herausstellte, brannte nur ein einziges Haus
unweit der Straße nach Aldava. Rodraeg musste unwillkürlich an das Sturmhaus von Wandry denken, das regelrecht in die Luft
geflogen war, nachdem das Mammut einen gefangenen
Feuermagier entfesselt hatte. Auch diesmal handelte es sich um ein Gebäude, das
alleine stand, das nicht an andere angrenzte, sondern von einem leicht
ungepflegt wirkenden Stoppelgarten umgeben war. Rodraeg kannte diesen Teil der
Stadt nur, weil sich das Volkstheater Lachende Maske hier
befand, und er stellte nicht ohne Überraschung fest, dass sich in unmittelbarer
Nähe des Brandes auch das Drachen & Höhlen befand,
Warchaims einziges offizielles und gesetzlich legitimiertes Bordell. Stark
geschminkte Frauen in knappen Korsagen waren dementsprechend zahlreich unter
den Schaulustigen vertreten.
    Rodraeg stand im Rauch und brauchte nicht zu husten.
    Die Garde schien tatsächlich alles unter Kontrolle zu haben. Es gab
nicht eine, sondern gleich zwei Eimerketten, die von nahe gelegenen Brunnen
Wasser auf und in das zweistöckige Gebäude schütteten, das ein inzwischen
rußschwarzer und halb eingestürzter Raub der Flammen geworden war. Es gab
Gardisten, die bereits mit wassertriefenden Decken in das qualmende Innere
vordrangen, um eventuelle Überlebende herauszuholen. Es gab Heleleschwestern –
Hebezie war nicht darunter –, die bereitstanden, um Wundversorgungen zu
übernehmen. Es wurde eine Seilabsperrung vorgenommen, die die Gaffer weiträumig
zurückhielt und so auch vor trudelnden Trümmerteilen schützte. Es gab mehr als
fünf Gardisten, die offensichtlich dazu eingeteilt waren, umliegende Häuser zu
befeuchten und ganz allgemein den Funkenflug und Übersprung auflodernder
Flammenzungen im Auge zu behalten. Es gab eine groß gewachsene Offizierin mit
harten, entschlossenen Gesichtszügen, die alles leitete und stets mit
mindestens drei Leuten gleichzeitig im Gespräch war. Sie hatte den Rang einer
Hauptfrau, erfuhr Rodraeg von einem anderen Umstehenden, und ihr Name war Larza
Durbas. Niemand wusste, wie das Feuer entstanden war. Niemand wusste mit
Sicherheit, ob sich Menschen in dem Haus befunden hatten oder nicht.
    Die Menge wogte schubsend und schnatternd in Rauch und Rußluft
durcheinander. Da es helllichter Tag war, waren die Flammen nicht ganz so
deutlich auszumachen, wie dies bei Nacht der Fall gewesen wäre. Die Eimerketten
schütteten zischendes Nass und schleuderten Linderung bis über die glühenden
Dachbalken.
    Im Laufe der folgenden Sandstriche fanden sich unabhängig voneinander
drei der fünf wichtigsten Bewohner Warchaims am Schauplatz des Brandes ein, um
sich vor Ort von Hauptfrau Durbas mit dem Stand der Dinge vertraut machen zu
lassen. Der Erste von

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