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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Schmetterlingsmenschen nicht etwas herausfinden über den heutigen Mord?
Es ist noch nicht lange her, und es geschah nur wenige Schritte von uns
entfernt …«
    Estéron lächelte wieder sein milde tadelndes Lächeln. »Wenn Riban
Leribin etwas zustieße, könnte ich das sicher spüren, auch wenn ich einen
halben Kontinent entfernt bin. Doch ich hatte keinerlei Verbindung zu diesem
Stoffhändler. Und auch Naenn würde wohl nicht mehr schlafen, wenn sie im Traum
etwas gesehen hätte, das …«
    Â»Ihr Götter!«, entfuhr es Rodraeg. »Naenn!«
    Ãœbergangslos rannte er die Stiege hinauf. Cajin folgte ihm dichtauf,
während der blinde Schmetterlingsmann verwirrt unten stehen blieb.
    Die Tür zu Naenns Zimmer war nicht abgeschlossen. Rodraeg wollte
nicht einen einzigen Sandstrichbruchteil mit Formalitäten vertun. Er riss die
Tür auf und sprang auf Naenns Bett zu, ähnlich wie Cajin vorhin in Rodraegs
Zimmer.
    Das Schmetterlingsmädchen, das zusammengekrümmt auf der Seite lag,
regte sich. Ein starker Wildrosenduft ging von ihrem kaum bekleideten Leib aus.
    Â»Rodraeg? Cajin? Ist etwas passiert?«
    Â»Den Göttern sei Dank, dir geht es gut. Für einen Augenblick dachte
ich … dir wäre im Schlaf etwas zugestoßen.«
    Müde zog Naenn ihre Decke hoch bis zum Kinn. »Warum?«
    Â»Von Heyden ist heute Nacht ermordet worden.«
    Â»O nein! Von Heyden! Und er hatte uns doch um Hilfe gebeten,
Rodraeg!«
    Das Frühstück fiel
niedergeschlagener und stiller aus als sonst. Rodraegs Hauptargument gegen
Naenns Betrübnis war: Wer hätte denn von Heyden schützen sollen? Eljazokad und
Bestar mussten in den Thost, Rodraeg selbst lag in tiefem Heilschlaf, Naenn war
hochschwanger. Bevor Estéron eintraf, hätte nur Cajin zur Verfügung gestanden,
und was sollte Cajin ausrichten gegen drei Männer, von denen mindestens einer
ein Krieger aus den Klippenwäldern war? Nein, von Heyden hätte die Garde
informieren oder sich, so wie Baron Figelius, mit einer persönlichen Leibgarde
umgeben müssen. Nun hatten sein Misstrauen, sein Geiz und seine an der
königlichen Steuer vorbeimanövrierten, möglicherweise ungesetzlichen Geschäfte
ihn das Leben gekostet. Es gab Menschen, um die man eher trauern musste. Hellas
Borgondi zum Beispiel.
    Was Naenn besonders zu schaffen
machte, war die Tatsache, dass nur wenige Schritte vom Haus des Mammuts entfernt ein
Mord geschehen war. »Das ist, als hätte uns jemand von der anderen Straßenseite
aus mit Blut besudelt. Und wie kann das Mammut sich anmaßen, sich um die Belange des Kontinents zu
kümmern, wenn es nicht einmal eine Gewalttat in unmittelbarer Nachbarschaft
verhindern kann?«
    Obwohl ihnen von dem Gardisten eingeschärft worden war, sich den Tag
über »zur Verfügung« zu halten, konnten Rodraeg und Cajin nicht im Haus still
sitzen. Sie eilten auf den Marktplatz, nur für eine Drittelstunde, und hörten
sich dort nach dem neuesten Stadtgespräch um. Dort stellten sie jedoch fest,
dass ein Mord hinter verschlossenen Türen weit weniger Aufsehen erregte als ein
weithin qualmendes Feuer. Die wenigsten hatten vom Tod von Heydens gehört. Noch
weniger hatten von Heyden überhaupt gekannt. Über die Todesursache wurde nur
spekuliert, die Bandbreite reichte vom abgeschlagenen Kopf bis zum Erdrosseln
im Ehebett, während die Ehefrau daneben schnarchte.
    Die Garde hatte tatsächlich gute Arbeit darin geleistet, die
Angelegenheit bislang noch unter Verschluss zu halten.
    Im weiteren Verlauf des Tages
meldete sich kein Gardist mehr beim Haus des Mammuts . Vielleicht waren die Ermittlungen bereits abgeschlossen.
Der Mörder gefasst. Oder aber das Mammut schien den Ermittlern nicht weiter von Belang zu sein.
Nachbarn eben, wie andere auch. Wer beging denn schon einen Mord genau vor der
eigenen Haustür?
    Rodraeg schaute aus dem Fenster auf
das nicht mehr von Gardisten wimmelnde und eigentlich ganz normal wirkende Haus
von Heyden und dachte darüber nach, ob er und Naenn einen Beileidsbesuch
unternehmen müssten. Cajin hatte angedeutet, dass so etwas in Warchaim durchaus
erwartet wurde, ähnlich wie die Höflichkeitsbesuche in den Tagen ihres Einzugs.
Dennoch war Rodraeg mulmig bei dem Gedanken. Je weniger sich das Mammut ins Bewusstsein der
von Heydens drängte, umso unwahrscheinlicher war es, dass der Kontakt, den

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