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Der Mann, der nicht geboren wurde

Der Mann, der nicht geboren wurde

Titel: Der Mann, der nicht geboren wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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nur noch einen Tag weniger, und du schlugst die Augen auf und
konntest lächeln. Komm mit mir.« Sie ging nirgendwohin. Sie schloss einfach nur
die Augen und faltete die Hände voller Inbrunst vor der Brust. Rodraeg folgte
ihr.
    Â»Ihr Mütter und Väter der Welt«, hauchte Naenn. »Helft Bestar und
Eljazokad, den richtigen Weg zu finden im Gestrüpp ferner Wälder. Helft ihnen,
weil auch sie nur helfen wollen. Nehmt jedes einzelne fehlende Kaninchen und befragt
es, ob es mit seiner Kraft die beiden Männer unterstützen würde. Nehmt die
Kraft derer, die das möchten, und gebt sie den zwei Männern, von denen einer
keine Waffe trägt und der andere eine, die ihm die Riesen in Freundschaft
anvertraut haben. Wir bitten für das Wohl der Welt, für alles, was lebendig ist
oder so alt wie ein Stein, so bewegt wie ein Wasser, so allgegenwärtig wie die
Luft oder so wild wie ein Feuer. Wir bitten nicht für uns, sonder für andere,
die uns am Herzen liegen.« Sie öffnete kurz die Augen und schaute nach, ob
Rodraeg sie nach diesen Worten betrachtete, doch der war ganz versunken. Dann
fuhr sie fort: »Wir bitten nicht, weil wir erwarten, dass ihr uns etwas
schuldig seid. Ohne euch wären wir nicht und keine Welt, in der gebetet würde.
Wir bitten, weil wir hoffen, euch eines Tages finden zu können – und mit euch
den Frieden, der uns allen verlustig ging.«
    Sie blieben noch eine Weile sitzen. Cajins Geschirrgeklapper, das
innegehalten hatte während des Gebetes, setzte wieder ein und holte sie zurück
in die Gegenwart.
    Als sie am Abend zum Lüften die Fenster öffneten, roch es draußen
immer noch ganz zart nach Rauch.

4

Ringelreihen der Mörder
    Am nächsten Morgen wurde von
draußen heftig gegen die Haustür gewummert. Es war noch sehr früh, selbst Cajin
und der morgens im Allgemeinen unruhige Estéron hatten noch fest geschlafen.
Cajin sprang senkrecht im Bett hoch und rannte im Nachtgewand zur Tür.
    Draußen stand ein Gardist.
    Â»Entschuldigt bitte die frühe Störung, aber in der Nacht hat es im
Haus gegenüber einen Mord gegeben, und wir erkundigen uns nun, ob die Anwohner
möglicherweise etwas Verdächtiges bemerkt haben.«
    Cajin war wie vom Donner gerührt. Er blickte hinüber zum Haus von
Mirilo von Heyden. Aus allen Fenstern und auch dem seitlich gelegenen
Hofdurchgang strahlte das Licht von Laternen. Silhouetten bewegten sich in
beinahe allen Lichtquellen wie übergroße Motten. Auch auf der Straße vor dem
Haus standen zwei Gardisten. Für einen Moment dachte Cajin darüber nach, wie es
hatte passieren können, dass niemand von ihnen etwas bemerkt hatte. Dann wusste
er die Antwort: Die beiden Räume mit Fenster nach vorne heraus waren die Zimmer
von Bestar und Eljazokad und somit zurzeit nicht belegt. Rodraeg und Cajin
schliefen mitten im Haus, die Fenster von Naenn und dem Gästezimmer, in dem
Estéron wohnte, gingen nach hinten hinaus auf den Hof. Von Heydens Haus lag
während Bestars und Eljazokads Abwesenheit im toten Winkel des Mammuts .
    Â»Ich … ich habe nichts bemerkt, aber vielleicht müsst Ihr mit dem …
Oberhaupt dieses Hauses sprechen, Rodraeg Delbane. Ich hole ihn.«
    Der Gardist blieb halb in der Tür stehen, während Cajin nach oben
wetzte und ohne anzuklopfen in Rodraegs Zimmer stürmte, um diesen
wachzurütteln.
    Â»Rodraeg, wach auf! Es ist passiert! Jemand hat von Heyden
umgebracht! Die Garde steht an unserer Tür, ob wir etwas wissen!«
    Rodraeg war erstaunlich schnell hellwach. Seit ihn sein Husten nicht
mehr plagte, war sein Schlaf wieder tief und ununterbrochen, und somit
erquickender als in den Monden zuvor. Er folgte Cajin nach unten. Estéron schob
ebenfalls sein Gesicht aus seinem Raum, um zu lauschen. Nur Naenn schlief
weiter. Ihre Schwangerschaft wühlte sie auf und schwächte sie zugleich.
    Â»Wer ist denn ermordet worden?«, begann Rodraeg ein Gespräch mit dem
altgedienten Gardisten, ohne erst umständlich zu grüßen.
    Â»Mirilo von Heyden, das Haupt der Händlersippe im Haus gegenüber.
Habt Ihr in der vergangenen Nacht seltsame Geräusche gehört oder sonst etwas
Ungewöhnliches bemerkt?«
    Â»Nein. Wir hatten am Abend sogar die Fenster offen, aber nach
Einbruch der Dunkelheit haben wir sie wieder zugemacht. Weder vorher noch
hinterher war etwas zu hören. Wie ist der Mörder denn ins

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