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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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disziplinierte Automaten des Erdölzeitalters.
    Automaten. Sind wir wirklich Automaten geworden? Wir alle? Und w ie steht es um unsere Automatenseelen? Ist Menschlichkeit programmierbar? Ist in unserem Seelenspeicher noch Platz für Begriffe wie »Verantwortung« und »Nächstenliebe« — für »spontane Handlungen«, z.B. auf einer Straße anzuhalten, um jemandem zu helfen, der uns braucht?
    An jenem Samstag im Februar 1969 fährt Frank Vala mit seinem alten Kombi auf der überfüllten Autobahn. Er fährt vorsichtig, denn seine Frau ist schwanger. Er fährt vorsichtig — der andere weniger. Der überholt, schert urplötzlich auf Franks Spur und zwingt ihn fast zu einer Vollbremsung: ein Wahnsinniger.
    Frank hat kaum die Zeit, das Wort zu Ende zu denken. Der Wagen vor ihm gerät ins Schleudern, kracht in die Leitplanken, bleibt hoffnungslos — oder Gott sei Dank — darin hängen. Bruchteile von Sekunden. Frank reagiert automatisch, mechanisch: Blick in den Rückspiegel, abbremsen, anhalten. Nicht ganz einfach bei dem Verkehr. Chaotisches Blinken und schrilles Gehupe der nachfolgenden Fahrer und Raser. Frank Vala hält trotzdem. Nur er allein hält an.
    Einige andere werden zwar auch langsamer und registrieren den Unfall, das auf dem Dach in den Leitplanken hängende Auto, dessen Räder sich noch in der Luft drehen, sie registrieren es, neugierig, mit den Augen, aber ihr Fuß ist bereits wieder auf dem Gaspedal: nur schnell weiter! Bloß keine Scherereien! Was geht mich das an?
    Es gießt in Strömen. Doch das ist Frank egal. Irgendwie muß er auf die andere Seite der Autobahn kommen. Nicht ganz ungefährlich bei diesem Wahnsinnsverkehr. Er faßt sich ein Herz, läuft im Zickzack hinüber und ist endlich beim Unfallwagen. Der Wagen ist leer, ziemlich demoliert, das Lenkrad verbogen. Etwa drei Meter entfernt liegt unter der Leitplanke eine junge Frau. Sie ist ohnmächtig, blutet leicht. Ihr rechter Arm ist wahrscheinlich gebrochen. Aber sonst scheint ihr nichts Ernsthaftes passiert zu sein. Sie hat noch einmal Glück gehabt. Frank richtet sie ein wenig auf und deckt sie mit seiner Jacke zu. um sie wenigstens notdürftig vor dem Regen zu schützen. Die junge Frau kommt langsam wieder zu sich.
    »Bleiben Sie ruhig liegen. Ich hole Hilfe.«
    Die erste, erschütternde Reaktion der jungen Frau aber gilt ihrer Schwester. Sie war ebenfalls im Unfallfahrzeug. Frank springt auf. In der Nähe des Fahrzeugs: nichts. Er läuft etwas unbeholfen herum und endlich — auf der anderen Seite der Fahrbahn entdeckt er einen scheinbar leblosen Körper. Die Schwester wurde rund zwanzig Meter weit auf die andere Seite geschleudert. Und wieder springt Frank im Zickzack-Kurs zwischen den rasenden Fahrzeugen über die Autobahn. Wieder wird er von den wütenden Fahrern angehupt und angeblinkt. Doch Frank ist nicht aufzuhalten. Schon gar nicht von diesen »Automaten«. Was sind das bloß für Menschen!
    Aber im Augenblick gibt es Wichtigeres zu tun, als über Menschlichkeit und Unmenschlichkeit automobilisierter Wesen nachzudenken. Jetzt beugt er sich über die Verletzte. Dem jungen Mädchen ist das linke Bein in Kniehöhe abgetrennt worden. Frank ist wie gelähmt vor Entsetzen, unfähig zu denken. Er starrt immer nur auf die fürchterliche Wunde. Das junge Mädchen ist ohnmächtig, aber es lebt noch.
    Frank hat den ersten Schock überwunden. Was kann er tun? Zuerst einmal nimmt er seinen Gürtel und bindet das Bein ab, um die Blutung zu stoppen. In seinem Gedächtnis rollen alle möglichen Bilder ab von geglückten Operationen. Vielleicht läßt sich das Bein wieder annähen. In den Zeitungen wird ja oft darüber berichtet. Aber dann muß alles ganz schnell gehen, und vor allem muß er erst einmal das abgerissene Bein finden und so schnell wie nur möglich den Rettungsdienst verständigen. Frank steht im strömenden Regen neben der Fahrbahn und fuchtelt wild mit seinen Annen. Irgend jemand muß doch anhalten. Irgendwann, aber bald, gleich! Ein Wagen bremst. Der Fahrer sieht Frank nur kurz an — und fährt weiter.
    »Ja, glaubt dieser Idiot vielleicht...? Sieht er denn nicht...? Kapiert er denn nicht...?«
    Frank rennt wieder auf die andere Seite in der Hoffnung, daß vielleicht jemand eher beim Unfallwagen anhält. Und da, in der Nähe der Leitplanken, findet er das Bein. Frank will es aufheben. Doch er stockt — ein unheimlicher Anblick. Aber er muß handeln, und zwar schnell. Also zieht er sein durchnäßtes Hemd aus und wickelt das

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