Der Mann der nicht zu hängen war
abgerissene Bein sorgfältig ein, jedoch ohne es dabei anzuschauen.
»Jetzt muß aber jemand halten. Sie müssen !«
Mit nacktem Oberkörper, vor Kälte und Aufregung zitternd, fuchtelt Frank noch wilder mit den Armen. Er schreit sogar um Hilfe — mitten auf der Autobahn, wo niemand ihn hören kann.
Vor fünf Minuten erst geschah der Unfall. Es ist noch nicht zu spät. Wenn nur rechtzeitig ein Krankenwagen käme! Einige bremsen, glotzen neugierig und fahren weiter, kümmern sich um ihre eigenen Geschäfte, die ja so viel wichtiger sind. Einige halten sogar kurz an. Brausen aber sofort wieder davon, als ihnen Frank, halbnackt. die Situation schildert.
Es ist unglaublich! Was ist nur mit diesen Menschen los? Ist es Angst? — Gleichgültigkeit? Es ist jedenfalls zum Verzweifeln mit diesen automobilisierten Automaten.
In Frank wächst der Zorn, ein ungeheuerlicher Zorn. Wenn er jetzt eine Bombe, eine Handgranate hätte, er würde sie auf dieses achtspurige Ungeheuer, Autobahn genannt, werfen. Diese Unmenschen, die ihr Gewissen im Kofferraum eingesperrt haben, muß man offensichtlich mit Gewalt zur Hilfeleistung zwingen. Frank sieht keinen anderen Ausweg mehr.
Den nächsten Fahrer, der etwas langsamer fährt, zwingt er zum Anhalten: »Bleiben Sie endlich stehen! Ich brauche Hilfe!« Und blitzschnell entwendet ihm Frank die Autoschlüssel. So, die rechte Spur wäre also blockiert. Alle müssen anhalten. Der »beraubte« Fahrer tobt. Doch Frank wiederholt sein Spiel bereits auf der nächsten Spur. Wütende Beschimpfungen, Drohungen, Gehupe, kreischende Bremsen, Chaos. Doch Frank ist jetzt alles egal. Auf der dritten Spur erwischt er einen LKW — ein ganz schöner Brocken.
Nun noch die vierte Spur, und gleich darauf hat er wieder einen Fahrer beim Kragen, faucht ihn an: »Schlüssel her! Du steigst jetzt sofort aus deiner Karre aus! Du fährst mit dem Wagen von dem da weiter! So bin ich wenigstens sicher, daß du zurückkommst, um deine Kiste wieder zu kriegen. Du holst sofort Hilfe, verstanden? Einen Arzt, Rettungswagen, Polizei, Feuerwehr, was weiß ich. Und wehe, du weigerst dich! Dann bist du dran wegen unterlassener Hilfeleistung, das schwöre ich dir!«
Während der verschreckte Mann in Richtung Los Angeles losbraust, organisiert Frank von den angehaltenen Fahrern Decken und dazu ein wenig Alkohol, auch wenn sie noch so entrüstet und wütend reagieren auf seine angeblichen Gangstermethoden. Ihre Autoschlüssel stecken in seiner Tasche, und wehe, einer würde versuchen, ihn anzugreifen! Franks ungewöhnliche Methoden haben endlich den gewünschten Erfolg. Es dauert nicht lange, und zusammen mit der Polizei trifft der Rettungswagen ein. Alles nimmt seinen normalen Lauf.
Die beiden Mädchen wurden gerettet. Das abgerissene Bein der 22jährigen Lisbeth Collers konnte zwar nicht mehr angenäht werden, aber nicht, weil die Hilfe zu spät gekommen wäre, sondern weil es medizinisch nicht möglich war.
Die »Los Angeles Times« hat diese Geschichte im Jahre 1969 veröffentlicht. Frank Vala mußte nicht vor Gericht. Seine rabiaten Methoden, den Verkehr zu stoppen, wurden akzeptiert. Einige Monate später verlieh ihm die »Carnegie-Stiftung« sogar die Bronzene Tapferkeitsmedaille.
Die Stichwahl
E ine ganz und gar ungewöhnliche Geschichte, diese Stichwahl! Ungewöhnlich schon allein deshalb, weil sie die Bevölkerung einer ganzen Stadt, über 32 000 Menschen, betraf. Davon haben wir sieben Personen ausgewählt, deren Schicksal wir genau verfolgen wollen. Sechs über jeden Zweifel erhabene Bürger und einer von zweifelhaftem Ruf.
In den verschiedenen Rollen dieser Geschichte finden wir: Monsieur Moutet, den Gouverneur, Monsieur Fouche, den Bürgermeister, Monsieur Landes, den Lehrer, Monsieur Guerin, den Fabrikdirektor, Hochwürden Clement, den Pfarrer, dazu in den Nebenrollen einen Journalisten und Joseph Jean-Marie, einen im Stadtgefängnis einsitzenden kleinen Ganoven.
Es ist Montag, der 28. April, um 10 Uhr morgens. Im Sitzungssaal des Rathauses ergreift der Bürgermeister das Wort:
»Meine Herren! Hier nun das Ergebnis des ersten Wahldurchgangs: Monsieur Perdin, unser Kandidat der Regierungspartei, geht mit 4182 Stimmen in die Stichwahl. Monsieur Clerc, der Kandidat der Opposition, bekam gestern 4484 Stimmen. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß wir bis zum zweiten Wahlgang am 11. Mai die 802 Stimmen der Unabhängigen unbedingt für uns gewinnen müssen! Irgendwelche Fragen? Ja, Monsieur
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