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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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ließen.
    Der junge König schien verstanden zu haben, dass Jordanien als Nation von der Gier zusammengehalten wurde. Seit er an der Macht war, hatte sich das früher eher harmlose Bakschisch-Zahlen in eine zu voller Blüte aufgehende Korruption libanesischen Zuschnitts verwandelt, an der sich inzwischen sogar einige Armeegeneräle beteiligten. Die Namen der führenden Strippenzieher kannte in Amman jedes Kind, aber niemand nannte sie in der Öffentlichkeit. Diese ganz besondere Form von Verschwiegenheit sog man hier schon mit der Muttermilch ein.
    Und dann gab es in Jordanien noch den Islam, der für alle arabischen Länder geheime Inspirationsquelle und quälende Geißel zugleich war. Neben der Betreuung des jungen Königs machte das dem örtlichen Ableger der CIA die meisten Sorgen. Die Jordanier waren Sunniten, deren Geistlichkeit mindestens ebenso verknöchert war wie der Klerus der anglikanischen Kirche. Die große, rosa-weiß gestreifte Al-Husseini-Moschee im Zentrum von Amman war an Freitagen nur schlecht besucht, weil die frommen Muslime fast alle in kleinen, in den Slums und Flüchtlingslagern außerhalb der Innenstadt gelegenen Moscheen beteten. Viele von ihnen trafen sich auch in Zarqa, der großen Industriestadt nördlich von Amman, wo der Untergrund den meisten Nachwuchs rekrutierte. Manchmal schien es, als wären die fundamentalistischen Scheichs die Einzigen, die in dieser Gesellschaft noch die Wahrheit sagten: Sie wetterten gegen die Korruptheit und Dekadenz der neuen Elite und drückten damit offen die Neidgefühle aus, die viele ihrer Gläubigen beim Anblick sündhaft teurer Nobelkarossen von Mercedes oder BMW empfanden. Mochte der junge König auch die führenden Köpfe des Weltwirtschaftsforums in die feinsten Luxushotels am Toten Meer einladen, in den Gassen von Zarqa verkaufte man zur selben Zeit Teppiche mit dem Bild Osama bin Ladens und lauschte Tonbandkassetten mit seiner Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten von Amerika.
    Ein paar Wochen nach seiner Ankunft in Amman hatte Ferris in einer Nachricht an Hoffman die Moscheen von Zarqa als «Pipeline» bezeichnet, durch die ein fundamentalistisches Terrornetzwerk Menschen aus Jordanien in den Irak und aus dem Irak nach Jordanien schleuste. Aus den Lymphknoten der arabischen Welt gelangten diese Gotteskrieger dann in die globale Blutbahn. In den zwei Monaten, seit er in Jordanien war, hatte Ferris hart daran gearbeitet, dieses Netzwerk zu enttarnen, das für ihn einen Namen hatte: den Namen nämlich, für den er im Irak einen so hohen Preis hatte zahlen müssen. Er wusste, wo das sichere Haus in Amman lag, in dem man seinen irakischen Informanten rekrutiert hatte, und er kannte ein paar Namen von Fundamentalisten, die ständig zwischen Zarqa und Ramadi hin- und herpendelten. Und obwohl diese bruchstückhaften Informationen ihn fast das Leben gekostet hatten, so waren sie doch nur der Anfang.
    Von seinem ersten Tag in Amman an hatte Ferris sie als eine Art Brechstange benutzt, mit der er eine Tür zum geheimen Versteck des Netzwerks aufstemmen konnte. Er ließ das Haus rund um die Uhr observieren und hatte dafür gesorgt, dass die NSA die Telefone und Computer sämtlicher Personen überwachte, die man auch nur in der Nähe dieses Hauses gesehen hatte. Zusätzlich wurde jedes Fahrzeug, das die Villa verließ, von Aufklärungsdrohnen verfolgt. Ferris hatte Hani nie gesagt, auf wen er es abgesehen hatte, aber er vermutete, dass das auch gar nicht nötig war. Seit Berlin war er davon überzeugt, dass sie beide denselben Mann jagten.
    Die amerikanische Botschaft stand wie eine protzige Festung in dem nahe dem Zentrum gelegenen Stadtteil Abdoun. Sie hatte eine Fassade aus weißem Marmor und einen halbkreisförmigen, mit lachsfarbenem Stein gepflasterten Innenhof. Obwohl das Gebäude eigentlich hübsch anzuschauen war, hatte es auch etwas Furcht einflößendes an sich. Vor dem Eingang standen Schützenpanzer mit hakennasigen, blau uniformierten Elitesoldaten der jordanischen Armee – als befände das Gebäude sich im Belagerungszustand. Auf gewisse Weise entsprach das ja auch den Tatsachen. Nachdem Ferris im Innenhof aus dem Wagen gestiegen war, ging er die Treppen hinauf in das oberste Stockwerk, wo sich die geheimen Büros der CIA befanden. Wie er vermutet hatte, saßen die meisten seiner Mitarbeiter noch an ihren Schreibtischen. Vielleicht taten sie das ja nur, um einen guten Eindruck auf ihn zu machen, aber wahrscheinlich hatten sie einfach

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