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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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Augen richteten sich auf den Afghanistan-Bildschirm.
    «Bei PACMAN ist irgendwas los», brummte ein Unteroffizier der Air Force, der am Schreibtisch auf der anderen Seite von Ferris saß. PACMAN befand sich an diesem Nachmittag über Waziristan im Nordwesten von Pakistan, wo er aus luftiger Höhe nach einem flüchtigen al-Qaida-Führer suchte. Jetzt zog er enge Kreise über einer Höhle hoch oben in den unzugänglichen Bergen und schwenkte seine Kamera über zerklüftete Abhänge und schneebedeckte Gipfel in der Erwartung, dass sein Opfer sich endlich zeigte. «Ich glaube, in der Höhle hat sich was bewegt!», rief einer der Beobachter, und schlagartig verstummten sämtliche Gespräche in dem großen, dunklen Raum.
    Die Leute, die PACMAN steuerten, saßen in der CIA-Zentrale in Langley in einem Gebäude draußen auf dem Parkplatz. Auch sie starrten jetzt auf ihre eigenen Bildschirme, bereit, eine Hellfire-Rakete abzufeuern, falls aus dem Dunkel der Höhle ein hochgewachsener, hagerer Mann nach draußen treten sollte. Auch Ferris sah jetzt, dass sich in den Schatten des Höhleneingangs etwas nach draußen, ans Licht bewegte, und er dachte: Jetzt haben wir ihn.
    Aber dann war es nur ein Yak, der aus den schwarzen Tiefen der Höhle hinaus ins Sonnenlicht getrabt kam. Ein enttäuschtes Stöhnen lief durch den Raum. Wieder einmal hatte PACMAN sie zu einer Schatzkammer geführt, die nur Fledermäuse, Ungeziefer und Tierkot zu bieten hatte. Ferris sah trotzdem weiter zu, wie PACMAN sich zu seinen neuen Koordinaten aufmachte und mit seiner Kamera über die Schluchten, Steilhänge und reißenden Flüsse des Hindukusch huschte. Diese Bilder, die sonst nur Falken oder Adler zu Gesicht bekamen, faszinierten ihn. Darin offenbarte sich das Genie amerikanischer Geheimdienste: Sie konnten ihre künstlichen Raubvögel auch noch über den unwirtlichsten Gegenden der Welt kreisen lassen. Dummerweise wussten diese High-Tech-Adler die meiste Zeit über nicht, wonach sie da unten eigentlich suchten. Es waren Vögel mit extrem scharfen Augen, aber ohne jeden Verstand.
    Den Maschinen Futter geben. Jetzt begriff Ferris, was Hoffman damit gemeint hatte: Er sollte echte Informationen heranschaffen, damit die hier im Einsatzzentrum wussten, wo sie ihre Drohnen hinschicken sollten. Nur so konnten sie herausfinden, wer wirklich in dem Wagen saß, der sich da an der syrischen Grenze entlangschlängelte, welcher altersschwache Bus eine Gruppe von Dschihadisten vom Flughafen in Damaskus zu einem sicheren Haus außerhalb von Bagdad beförderte und welcher abgetakelte Pick-up dem Einsatzplaner eines Terrornetzwerks gehörte. Wenn es Ferris gelang, diese Informationen zu beschaffen, konnte der Predator jeden noch so kleinen Schritt der Zielpersonen dokumentieren. Er konnte jeden ihrer Komplizen ebenso festhalten wie jeden Ort, an dem sie anhielten, um etwas zu essen, zu schlafen oder auf die Toilette zu gehen. Die Maschine war unglaublich effektiv, aber jemand musste ihr das richtige Futter geben.
    «Sie sind genau der Richtige für diese Aufgabe, Sie armer Irrer», hatte Hoffman zu ihm gesagt. Und er hatte recht gehabt. Ferris konnte sich fließend verständigen, er hatte so dunkles Haar und einen so dunklen Hautton, dass ihn mit Thoub – dem traditionellen Gewand der Araber – und Kufija-Kopftuch jeder für einen Einheimischen hielt. Vor allem aber hatte er diesen inneren Hunger, den er nur dadurch stillen zu können glaubte, dass er große Risiken einging.
    Vor seinem eigentlichen Einsatz hatte Ferris eine Woche mit dem Einsatzleiter in Bagdad verbracht, einem stämmigen Iren namens Jack, der aber ohne weiteres als sunnitischer Scheich durchging, wenn er sich das rote Haar und den Schnurrbart färbte und sich in einen Thoub hüllte. Jack zeigte Ferris die verschiedenen geheimen Stützpunkte, die der Geheimdienst in der von den Amerikanern kontrollierten Grünen Zone unterhielt, und auch die Werkstätten, wo man über Nacht einen Wagen umlackieren lassen konnte und in denen es Hunderte gefälschter Nummernschilder gab. Er zeigte ihm die Wege, auf denen die CIA ihre Agenten hinaus in die Rote Zone schmuggelte, in der sich das wahre Leben der irakischen Hauptstadt abspielte. Er sagte ihm, wo er dort die verbeulten und heruntergekommenen Autos fand, die für Agenten wie ihn abgestellt waren, und er nannte ihm die Adressen der sicheren Häuser im Zentralirak, der Ferris’ Einsatzgebiet werden würde. Jack und Ferris soffen viel und lachten viel, um

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