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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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als Informant für den Geheimdienst arbeitete. Anfangs lieferte er Informationen über die Salafistenkreise in seiner Heimat, und später, als man ihm mehr vertraute, berichtete er auch über radikale islamistische Gruppierungen in Deutschland. Dort war die CIA auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihn zu ihrem Agenten gemacht, obwohl er auf dem Papier immer noch in türkischem Sold stand.
    Ferris brachte Bülent in das Büro, wo er sich mit Omar Sadiki treffen sollte. Es lag in einer belebten Geschäftsstraße nahe der ältesten Moscheen der Stadt und war modern, aber nichtssagend eingerichtet. Ferris gab seinem Agenten ein paar Visitenkarten mit dem Aufdruck der Unibank und ging noch einmal mit ihm durch, was er zu tun hatte: Bülent würde mit Sadiki über den Wärmedämmungskoeffizienten der Isolierung des geplanten Gebäudes diskutieren, der seiner Meinung nach nicht hoch genug sei, und dann vorschlagen, die Dicke des Dämmmaterials zu erhöhen. Falls Sadiki protestieren sollte, würde er ihm mehr Geld für diese Änderung anbieten. Auf jeden Fall sollte Bülent aber darauf achten, dass bei dem Gespräch mehrmals Konstruktionspläne hin- und hergereicht wurden, was die Kamera und die Mikrofone, die in den Wänden des Büros versteckt waren, gewissenhaft aufzeichnen würden.
    Nach dem Treffen rief Ferris Ajit Singh in Amman an, um sich zu vergewissern, dass der Internet-Teil der Operation am 22. Dezember auch wirklich funktionierte. Singh berichtete, was für digitale Tricks er vorbereitet hatte: Im Lauf des Tages würde er von Sadikis E-Mail-Account aus, über das er die Kontrolle hatte, einige kryptische Nachrichten losschicken, die in einer kodierten Sprache verkündeten, dass ein Angriff auf ein amerikanisches Ziel unmittelbar bevorstehe. Er hatte auch ein Kommuniqué vorbereitet, in dem eine neue salafistische Terrorgruppe ein paar Stunden nach dem Weihnachtsanschlag auf einer echten Dschihadisten-Website die Verantwortung dafür übernehmen würde. Darüber hinaus hatte er eine ganze Flut von Gratulationsmails vorbereitet, die in den einschlägigen Netzwerken herumgeschickt werden würden, und außerdem Beiträge für die islamistischen Chatrooms auf mySunna.com und einem Dutzend anderer extremistischer Websites, mit denen er Ursprünge und Ziele der neuen Terrorgruppe unters Volk bringen wollte. Die Postings würden erklären, dass die al-Qaida langsam zu lasch werde und nur noch zivile Ziele in Europa angreife statt amerikanische Militäreinrichtungen. Ein paar Beiträge würden sogar den Führern der al-Qaida unterstellen, längst im Sold der CIA zu stehen.
    »Sie sind einfach phantastisch«, sagte Ferris zu seinem Assistenten.
    »Und wieso finde ich dann keine Freundin?«
    »Wenn das alles vorbei ist, gehen wir mal zusammen aus. Dann werden wir schon ein nettes Mädchen für Sie finden. Na, wie hört sich das an?«
    »Super. Aber kann ich nicht gleich zwei haben?«
    Ferris musste lachen und fragte sich, ob das junge Computergenie vielleicht noch Jungfrau war. »Auch gut«, sagte er. »Dann eben zwei.«
     
    Als Omar Sadiki am nächsten Morgen ankam, ließ Ferris ihn von einem Fahrer am Flughafen abholen. Der Jordanier wurde an der Passkontrolle länger aufgehalten, was möglicherweise dafür sprach, dass er auf irgendwelchen Fahndungslisten stand. Ferris wartete – verkleidet wie immer – in Bülents angeblichem Büro auf ihn. Das Treffen verlief wie geplant. Nachdem sich Sadiki und Bülent eine Stunde lang um Details gestritten hatten, einigten sie sich schließlich darauf, die Wärmedämmung des Gebäudes noch einmal neu zu berechnen. Bülent bestand darauf, Sadiki zu einem Versöhnungsessen in ein nahe gelegenes Restaurant einzuladen, das bei islamistischen Politikern und den Verfassern radikal-muslimischer Streitschriften sehr beliebt war. Dort würden sie von den frommen Muslimen mit Verbindung zum Untergrund ebenso gesehen werden wie von den Leuten des türkischen Geheimdienstes, die diesen Ort beobachteten. Ferris ging nicht mit zum Essen, sondern schützte weitere Termine vor. Am Abend brachte der Fahrer Sadiki zurück zum Flughafen, wo er den letzten Flug nach Jordanien nahm.
    Am nächsten Morgen – es war Donnerstag, der 22. Dezember –, explodierte auf dem Militärflughafen Incirlik im Süden der Türkei eine Bombe. Die Detonation war so laut, dass sie eine große Menge Schaulustiger vor die Tore des Fliegerhorstes lockte. Dreißig Minuten nach der Explosion schickten die lokalen

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