Der Mann, der niemals lebte
einstellen?«, fragte er, als er mit der Installation der Bombe fertig war.
»Sieben Uhr am Donnerstagmorgen. Aber passen Sie bloß auf, dass Sie keinen Fehler machen.«
»So was überlassen wir dem Geheimdienst, Sir«, sagte Jim. Er stellte den Zeitschalter den Vorgaben entsprechend ein und schloss dann den Kofferraum. Falls in den nächsten zwei Tagen zufällig doch jemand an dem Auto vorbeikam, würde ihm nichts Ungewöhnliches auffallen. Ferris sammelte seine Bewegungsmelder wieder ein und vergewisserte sich ein letztes Mal sorgfältig, dass sie auch keine Spuren hinterlassen hatten.
Jim stand noch immer neben dem Golf und machte ein Gesicht, als ob ihn etwas belastete.
»Sir, mir ist gerade noch was eingefallen. Was ist denn, wenn am Donnerstagmorgen zufällig irgendwelche Türken hier vorbeikommen? Oder wenn einer der Offiziere, die hier wohnen, kurz vor Weihnachten noch mal aus dem Urlaub zurückkommt? Haben wir so was wie einen Wachposten, der die Augen offen hält und die Leute wegschickt, wenn sie im falschen Moment hier sind?«
»Nein, einen Wachposten gibt es nicht. Tut mir leid.«
»Mir tut es leid, dass ich Ihnen ständig Fragen stelle, Sir. Aber … warum gibt es denn keinen?«
Ferris schwieg einen Augenblick. Als sie den Plan in Mincemeat Park durchgegangen waren, hatte er Hoffman dieselbe Frage gestellt. Wie vermeiden wir, dass versehentlich Unschuldige zu Schaden kommen? Hoffman hatte geantwortet: »Wir beten«, und als Ferris nicht lockerließ, hatte er ihm einen Vortrag darüber gehalten, dass man die Anzahl der Eingeweihten bei solchen hochsensiblen Vorgängen auf ein Minimum beschränken müsse. In diesem Augenblick war Ferris endgültig klar geworden, dass Hoffman für das Gelingen dieser Operation auch bereit war, Menschenleben zu opfern.
»Ein Wachposten wäre zu auffällig und würde die Sicherheit der Operation gefährden«, sagte Ferris jetzt zu Jim. »Das können wir nicht riskieren. Tut mir leid, aber so lauten nun mal meine Befehle.«
»Jawohl, Sir.« Der Special-Forces-Mann setzte die roboterhafte Miene eines Soldaten auf, der ohne weiteres Nachdenken stur seinen Befehl ausfuhrt.
Sie packten die verbliebene Ausrüstung wieder in den Humvee, fuhren durch den Kontrollpunkt nach draußen und kehrten in ihre Wellblechbaracke zurück, wo sie schweigend noch ein Bier tranken, bevor sie sich auf ihre Feldbetten legten, um ein paar Stunden zu schlafen.
Als um Punkt sechs der Agent aus Ankara kam, mampfte Jim bereits eine Dose wenig appetitlicher Einsatzverpflegung. Ferris sagte seinem Kollegen, er werde das Frühstück ausfallen lassen und gleich zum Flugplatz fahren, um mit dem Hubschrauber zurück nach Ankara zu fliegen. Zum Abschied boxte ihm Jim so fest in die Seite, dass er fast umfiel.
»Na, denn mal fröhliche Weihnachten«, sagte er.
Ankara
Die Dämmerung des Dezembermorgens überzog den Himmel im Osten mit einem gedämpften, ockerfarbigen Rot, während Ferris durch das Fenster des Black-Hawk-Kampfhubschraubers hinab auf die schachbrettartige Landschaft: Anatoliens blickte. Der Flug war beim türkischen Militär angemeldet, weshalb eigentlich keine Veranlassung bestand, so tief zu fliegen, doch der Pilot hatte offenbar seinen Spaß daran, in nur wenigen Metern Höhe den Flussläufen zu folgen, die für die Landschaft im Süden der Türkei typisch waren. Dabei riss er den Helikopter häufig so abrupt nach links und rechts, dass Ferris der Magen im Wechsel von einer Seite auf die andere gedrückt wurde. Laut knatternd rauschten sie über Schafherden hinweg, die panisch in alle Richtungen auseinanderstoben, und flogen so tief über hohe Wiesen, dass der Wind der Rotorblätter das Gras peitschte wie auf einem Landschaftsgemälde von van Gogh. Immer wieder riss der Pilot den Black Hawk steil nach oben, um ganz knapp über eine Hochspannungsleitung hinwegzufliegen, und manchmal zischte er sogar halsbrecherisch dicht unter den Drähten hindurch. Er wusste, dass Ferris ihn niemals melden würde – und selbst wenn, dann würde das bei der Flugbereitschaft niemanden interessierten.
In Ankara traf sich Ferris mit Bülent Farhat, dem türkischen Agenten, der die Rolle des Chefingenieurs der Unibank spielen sollte. Farhat war vor langer Zeit einmal als Kämpfer in Afghanistan gewesen, aber nach seiner Rückkehr hatten ihn die Türken festgenommen, ihm seine Leidenschaft für den Dschihad ausgetrieben und ihn schließlich unter der Bedingung wieder freigelassen, dass er fortan
Weitere Kostenlose Bücher