Der Mann, der niemals lebte
Nach kurzer Fahrt kamen sie an einen Kontrollpunkt, der mit zwei US-Soldaten besetzt war. Es war der einzige Zugang zu einem abgezäunten, mit Stacheldraht gesicherten Gelände von der Größe eines Fußballfelds: die Offizierskaserne von Incirlik, wo die meisten hier stationierten Air-Force-Piloten einquartiert waren. Sie befand sich so weit von den umliegenden Städten und Dörfern entfernt, dass die Anwohner zwar eine Explosion hören würden, aber nicht beobachten konnten, was dort wirklich los war.
Ferris fuhr langsam auf die versetzt angeordneten Betonschranken zu, die den Eingang versperrten, und blinkte drei Mal mit den Scheinwerfern, woraufhin einer der beiden Wachposten zwei Mal mit einer Taschenlampe zurückblinkte. Als sie am Kontrollpunkt angekommen waren, beugte Ferris sich aus dem Fenster zu den beiden Wachen und sagte ein Codewort. Beide salutierten, dann drückte der eine einen Knopf und öffnete das schwere Metalltor, das die Fahrbahn vor ihnen versperrte.
Im Inneren des Kasernengeländes fuhr Ferris auf ein dreistöckiges Holzhaus zu. Auf dem Parkplatz standen Militärwagen und auch ein paar Zivilfahrzeuge – wie an einem ganz normalen Abend. Hinter den Vorhängen der meisten Zimmern drang Licht hervor, und vor dem Gebäude brannten starke Scheinwerfer. Bei dieser Festbeleuchtung konnte Ferris seine Nachtsichtbrille wieder abnehmen.
»So, da wären wir«, sagte Ferris. »Die letzten Nachzügler sind vor zwei Stunden ausgerückt.«
»Und warum brennt dann überall Licht, Sir?«, fragte Jim. Er zog es offensichtlich vor, im Stockdunkeln zu arbeiten.
»Damit die Leute glauben, die Offiziere wären noch da«, erklärte Ferris.
»Hmm. Ach so. Gebongt.«
»Wo steht der Golf?«
»Hinten«, sagte Jim. »Bei den Müllcontainern.«
Langsam fuhren sie bis ans Ende des Gebäudes. Dort, an der dunkelsten Stelle, stand ein roter VW Golf mit türkischen Nummernschildern.
»Machen wir uns an die Arbeit«, sagte Ferris. Er installierte seine Bewegungsmelder und holte dann zusammen mit Jim die restliche Ausrüstung aus dem Humvee.
»Haben Sie schon mal eine Autobombe gebaut?«, fragte Ferris.
»Kann man so nicht sagen, Sir. Aber irgendwann ist immer das erste Mal.«
Jim fing an, den Plastiksprengstoff aus dem Rollkoffer zu packen, und gab dann die einzelnen Päckchen an Ferris weiter, der sie vorsichtig in den Kofferraum des Wagens legte. Als der Boden des Kofferraums bedeckt war, hielt Jim inne. »Wie viel noch?«, fragte er.
»Alles«, antwortete Ferris.
»Das pustet dann aber die ganze gottverdammte Hütte weg.«
»Genau das ist der Sinn der Übung.«
Ferris sah einen Anflug von Misstrauen in den Augen des Soldaten aufblitzen. »Und Sie sind sicher, dass keiner von unseren Jungs mehr da drin ist, wenn das Ding hochgeht?«
»Die meisten Offiziere sind schon im Weihnachtsurlaub, aber das wissen die Türken natürlich nicht. Diejenigen, die noch Dienst haben, wurden für ein paar Tage in der Mannschaftsunterkunft hier auf dem Stützpunkt untergebracht. So lautet der Plan, und dem Plan müssen wir vertrauen.«
»Das haben sie uns im Irak auch erzählt.«
Ferris lächelte. »Machen Sie’s einfach. Und Sie sind sicher, dass das auch der richtige Sprengstoff ist?«
»Klar doch. Wenn die türkischen Sprengstoffexperten hier anrücken und die Überreste analysieren, steht auf allem, was sie von Sprengstoff, Zündern und Zeitschaltuhren noch finden, groß und breit al-Qaida drauf. Ist genau das gleiche Zeug, das die Terroristen 2004 für die Bomben in Istanbul verwendet haben.«
»Hübsches Detail«, bemerkte Ferris.
Sie arbeiteten schweigend weiter. Nachdem sie den gesamten Sprengstoff in den Kofferraum geladen hatten, brachte Jim die Zeitzünder mit den Sprengkapseln an. Ferris lief inzwischen zum Haupteingang zurück. Die Tür war nicht verschlossen. Er ging in den Keller hinunter und suchte den Sicherungskasten, der die Beleuchtung im Haus steuerte. Dort brachte er einen Zeitschalter an, der die Beleuchtung für die nächsten zweiundsiebzig Stunden so regulieren sollte, dass das Licht in den Zimmern zu den Zeiten brannte, wenn die nicht anwesenden Bewohner des Hauses normalerweise wach waren, und ausgeschaltet wurde, wenn sie schliefen.
Danach ging er wieder zur Rückseite des Gebäudes, wo Jim immer noch damit beschäftigt war, die Zündvorrichtungen und den Zeitschalter zu prüfen. Schließlich verband er mit großer Sorgfalt die letzten Drähte miteinander.
»Welche Zeit soll ich
Weitere Kostenlose Bücher