Der Mann, der niemals lebte
klingende Stimme fragte, ob er Mr. Roger Ferris sei, was er bejahte. »Wir warten auf Sie, Sir«, sagte die Stimme. »Warum haben Sie nicht angerufen, bitte?«
Ferris entschuldigte sich und beendete das Gespräch. Er wollte nicht sterben – wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Dann stand er von der Bank auf, trat einen Schritt zur Seite und überlegte, in welche Richtung er laufen sollte. Doch schon beim ersten Schritt sah er zwei bärtige Männer in dicken Anoraks auf sich zukommen.
Ferris tastete nach Hanis Notrufsender, der sich in derselben Tasche befand, in der vor ein paar Stunden noch die vergiftete Zahnschiene gewesen war. Er drücke den Knopf an dem falschen Feuerzeug erst einmal, dann ein zweites Mal. Die beiden Männer waren jetzt bei ihm, sie nahmen ihn in die Mitte, und einer drückte ihm die Mündung einer Waffe an die Rippen. Der Mann mit der Pistole hatte glänzende Augen und eine Haut in der Farbe von dunklem Honig. Er sah wie ein Ägypter aus, und Ferris glaubte, das Gesicht schon einmal in der Fahndungskartei der CIA gesehen zu haben.
»Sind Sie Ferris?«, fragte der Ägypter.
»Ja.« Er spürte, wie die Waffe noch fester an seine Rippen gedrückt wurde.
»Und das ist kein Trick?«
Ferris schüttelte den Kopf. »Nein, das ist kein Trick. Sie haben Ihren Teil der Vereinbarung erfüllt, jetzt erfülle ich meinen.«
»Und was ist das? Was werden Sie für uns tun?«, fragte der Ägypter mit einem seltsamen Lächeln und einem grausamen Glitzern in den Augen, als bemühte er sich, einen lebenslang gehegten Hass zu verbergen.
»Warten Sie’s ab«, erwiderte Ferris. Verstohlen sah er sich nach Hanis Männern um, konnte aber niemanden entdecken. Sie kümmerten sich um Alice, mehr hatte er ja auch nicht von ihnen verlangt. Er selbst konnte geopfert werden. So hatten sie es vereinbart. Jetzt aber, als er den eiskalten Blick der beiden Männer spürte, hatte Ferris wirklich Angst. Er wusste, dass er ihnen ausgeliefert war, und wollte schreien oder weglaufen. Doch das hätte seinen Tod nur beschleunigt, und er hatte sich nun einmal dazu entschlossen, solange wie möglich am Leben zu bleiben.
»Es tut uns leid, dass wir Sie wie einen Gefangenen behandeln müssen«, flüsterte ihm der Ägypter ins Ohr, »aber wir wissen eben nicht, ob Sie die Wahrheit sagen oder lügen. Haben Sie Nachsicht mit uns.«
Ferris sah von einem zum anderen. Wollten die zwei sich über ihn lustig machen? Natürlich war er ihr Gefangener. Jetzt fragte er sich, ob die Versuchung, das Gift einzusetzen, nicht schon jetzt viel zu groß geworden wäre, wenn er es behalten hätte. Möglicherweise wäre er dann bereits tot.
Die Männer führten ihn zu einem gelben Hyundai, der in einer Seitenstraße am Marktplatz stand. Neben dem Fahrer saß ein bärtiger Mann, der eine Maschinenpistole auf den Oberschenkeln liegen hatte. Jetzt gab es endgültig kein Zurück mehr. Ferris griff noch einmal in seine Jackentasche und drückte Hanis Sender, aber der Mann mit der Pistole riss ihm die Hand weg und tastete seine Tasche ab. »Was ist das?«, fragte er, nachdem er das Feuerzeug herausgezogen hatte. Er probierte es aus, aber es funktionierte nicht. Nachdem er ein paarmal auf die Taste gedrückt und noch immer keine Flamme zustande gebracht hatte, warf er es mit einem verächtlichen Schnauben weg.
»Ist das vielleicht doch ein Trick?«, fragte der Ägypter und machte ein böses Gesicht. Ferris wollte etwas sagen, doch da packte ihn der andere Mann und verschloss ihm den Mund mit einem breiten Streifen Klebeband. Dann tasteten sie ihn von oben bis unten ab und fanden das Handy in seiner Hosentasche. Der Ägypter steckte es ein, während der andere Mann Ferris Pass und Brieftasche abnahm. Schließlich schoben sie ihn auf die Rückbank des kleinen Hyundai und setzten sich rechts und links neben ihn. Der Wagen setzte sich in Bewegung und bog nach ein paar hundert Metern in eine staubige Nebenstraße ab, die er so lange entlangfuhr, bis er von der Hauptstraße aus nicht mehr zu sehen war. Dann verbanden sie Ferris die Augen, fesselten ihn an Händen und Füßen und drückten ihn schließlich zwischen den Autositzen auf den Boden.
»Tut uns wirklich leid«, sagte der Ägypter zu dem gefesselten Bündel, das kurz zuvor noch Ferris gewesen war. Er und der andere Mann stiegen aus und gingen zu einem anderen Auto, das in der schmalen Straße offenbar auf sie gewartet hatte. Dann setzte sich der Konvoi wieder in Bewegung. Warum entschuldigen die
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