Der Mann, der niemals lebte
ein Muslim sind? Wann haben Sie al-dawa vernommen, den Ruf?«
»Entschuldigung«, sagte Ferris und steckte sich einen Finger ins Ohr, als müsste er einen Pfropfen daraus entfernen. Er wollte die Frage noch einmal hören.
»Wann haben Sie erfahren, dass Ihr Großvater aus dem Libanon stammt, von wo er erst nach Bosnien und dann in die USA ausgewandert ist? War das, bevor Sie zur CIA gingen oder erst danach? Ich frage mich nämlich, ob die CIA tatsächlich einen wahren Muslim aufgenommen und ihn in die Geheimnisse der Juden und Kreuzfahrer eingeweiht hätte.«
Ferris versuchte verzweifelt, einen klaren Kopf zu behalten, damit er wieder klar denken und die Einzelteile dieses Puzzles richtig zusammensetzen konnte. Süleyman schien offenbar zu glauben, dass er sich freiwillig in seine Gewalt begeben hatte, weil er Muslim war. Ferris überlegte, was wohl die beste Antwort auf diese Frage war und ihm die meisten Möglichkeiten offenließ. Er erinnerte sich daran, dass er als Junge sehr an seiner Herkunft interessiert gewesen und nie herausgefunden hatte, aus welchem Land sein Großvater nun wirklich stammte. In seiner Familie war nie offen darüber geredet worden, und jetzt fragte sich Ferris, ob er am Ende doch nicht katholisch gewesen war, wie er immer behauptet hatte, sondern tatsächlich muslimisch. Möglich wäre es. Er dachte an das Gespräch, das er vor ein paar Wochen mit seiner Mutter geführt hatte, und auf einmal wusste er, was er Süleyman antworten musste.
»Das war, nachdem ich bei der CIA eingetreten bin. Meine Mutter hat ein paar alte Familiendokumente gefunden und es mir gesagt.«
»Al hamdu l’Illah. Ich glaube, diese Dokumente haben auch wir gesehen. Sind es die, die Sie uns über Ihren Mittelsmann zukommen ließen?«
Ferris nickte, während sich seine Gedanken überschlugen. Was für Dokumente? Was für ein Mittelsmann? Wer hatte sich dieses raffinierte Spiel bloß ausgedacht, dessen Teil er plötzlich zu sein schien? In wessen Netz aus List und Lügen verstrickte er sich da gerade?
»Zuerst dachten wir, sie seien gefälscht«, fuhr Süleyman fort, »bis wir dann im Libanon unsere eigenen Nachforschungen angestellt und uns in den Archiven Ihres Wilajets in Tripolis umgesehen haben. Dort war nicht nur die Geburt Ihres Großvaters verzeichnet, sondern auch die Ihres Vaters in Amerika. Die anderen glaubten zwar nach wie vor, Sie seien ein Lügner, aber ich fing an, mir meine Gedanken zu machen.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Ferris.
»Und deshalb will ich Sie von nun an bei Ihrem richtigen Familiennamen nennen: Fares. Das gehört sich so, jetzt, wo Sie bei uns und ganz in der Nähe Ihrer wahren Heimat sind. Ist Ihnen eigentlich klar, dass die Sunniten von Tripolis nur wenige Kilometer von uns entfernt hinter der Grenze leben? Dass wir hier sind, ist ein Geschenk an Sie, Fares. Vielleicht bringen wir Sie ja dorthin, wenn wir mit Ihnen fertig sind. Nach Hause. Würde Ihnen das gefallen? Zuerst aber bringen wir Sie nach Damaskus, wo wir das Video mit Ihrem Glaubensbekenntnis für die umma an Al Dschasira übergeben werden. Dort wartet man nur auf ein Wort von mir. Und danach fahren wir nach Tripolis, in die Stadt Ihrer Ahnen. Würde Ihnen das gefallen?«
»Ja, das würde es«, erwiderte Ferris und ließ die Spur eines Lächelns um seine Lippen spielen. Langsam begann er, die Umrisse des Plans zu erahnen, obwohl er immer noch keine Ahnung hatte, wer ihn sich zu welchem Zweck ausgedacht haben könnte. »Ich würde gerne die Heimat meiner Ahnen sehen. Das wäre für mich das Ende einer langen Reise.«
»Ich weiß. Allahu akbar – Gott ist groß. Danken wir Gott.«
»Allahu akbar«, sagte nun auch Ferris. »La ilaha ill-Allah, Muhammadur-Rasul-ullah.« Es war das muslimische Glaubensbekenntnis, das einen Muslim erst zum Muslim machte: Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.
Jetzt war es an Süleyman zu lächeln. Er legte eine Hand auf sein Herz, beugte sich zu Ferris hinüber und küsste ihn drei Mal auf die Wangen.
»Deine Informationen waren sehr gut, Fares. Die Telefonnummern auf deiner Fahndungsliste zum Beispiel, die Hinweise, welche Websites nicht sicher sind, oder die Spielchen, die die CIA mit uns gespielt hat, damit wir uns zeigen. Interessant war auch zu erfahren, wie viele Codenamen ihr von uns kennt, darunter meinen eigenen, Raouf. Zuerst glaubten viele von uns, es wäre wieder einer von diesen Tricks der CIA. Irgendwie ergab das alles keinen Sinn. Warum sollte
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