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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ignatius David
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berücksichtigt werden mussten. Ferris tat so, als würde er bei den meisten Themen nicht mitkommen, und verabschiedete sich nach zehn Minuten, um die beiden ihre Probleme alleine lösen zu lassen. Nachdem Ferris fort war, unterhielten Sadiki und Hanafi sich noch eine weitere Stunde, wobei sie hin und wieder scherzten und schallend lachten. Es stellte sich heraus, dass sie sogar ein paar gemeinsame Freunde hatten. Und die ganze Zeit über lief ein Tonband mit, und die digitalen Kameras machten ihre Aufnahmen.
    Ferris hatte einen neuen Mitarbeiter in Amman, einen kleinen, geschmeidigen Amerikaner indischer Abstammung namens Ajit Singh, mit glänzender, dunkler Haut und einem unergründlichen Dauerlächeln. Wie viele Menschen in seinem Alter trug er gerne Baseballkappen, die er manchmal auch verkehrt herum aufsetzte. Azhar hatte ihn nach Amman geschickt, damit er Ferris bei technischen Fragen zur Seite stand.
    Ajit war ein interessanter Fall: Sein Vater war nach Silicone Valley gegangen und hatte dort mit der Programmierung eines Warenwirtschaftssystems für die Warenhauskette Wal-Mart ein Vermögen gemacht, das er dann in die boomenden Firmen anderer indischer Softwareingenieure investiert hatte. Dass sein Sohn Ajit nach dem Studium in Stanford eine lukrative Karriere ausschlug und stattdessen zur CIA ging, war seine Form der Rebellion gewesen. Nach dem Studium hatte Ajit seine Verwandten in Kaschmir besucht, und ein halbes Jahr später waren einige von ihnen dem Anschlag eines Selbstmordattentäters der al-Qaida zum Opfer gefallen. Nachdem Ajit die Angelegenheit mit seinem Vater besprochen hatte, der wie viele Einwanderer mit beruflichem Erfolg glühender amerikanischer Patriot war, hatte Ajit Singh sich bei der CIA beworben, wo er wegen seiner überdurchschnittlichen Computerfähigkeiten rasch die Aufmerksamkeit von Sami Azhar erregte. Sami fackelte nicht lange und holte den jungen Mann, der sich schon in seinen ersten Monaten bei der CIA als äußerst begabter Hacker hervorgetan hatte, in seine verschwiegene Truppe.
    Ajit Singh war nicht nur ein wahrer Zauberer am Computer, er war darüber hinaus auch noch ein Sprachgenie. Sprachen waren für ihn nichts anderes als Computerprogramme: Systeme aus unterschiedlichen Symbolen, die miteinander in Korrelation gesetzt werden mussten. Wenige Monate, nachdem er sich zu seinem Rachefeldzug entschlossen hatte, sprach er bereits Arabisch, ohne jemals einen Kurs besucht zu haben. Singh konnte Websites programmieren, manipulieren und mit speziellen Cookies versehen, die den Geheimdiensten verrieten, wer sich darauf herumgetrieben hatte. Als Ajit nach Amman kam, gab Ferris ihm Francis Aldersons altes Büro, das immer noch leer stand. Singh füllte es mit Servern, Flachbildschirmen und anderem elektronischen Kram; aber erst nachdem ihm die Leute vom NSA-Abhörposten der Botschaft einige spezielle Zusatzgeräte installiert hatten, war er komplett eingerichtet.
    An der Wand von Singhs Büro hing ein kleines Schild mit der Aufschrift: »People Are Stupid.« Das war das Geheimnis seines Erfolgs. Die Leute waren dumm genug, ihre Passwörter in Computer einzutippen, die dazu präpariert waren, jeden Tastendruck zu protokollieren; dumm genug, nicht zu wissen, dass sie, wenn sie eine Website besuchten, eine digitale Markierung verpasst bekamen, die sie beim weiteren Surfen mit sich schleppten, oder dass man, wenn sie mit dem Internet verbunden waren, von außen Zugriff auf die Festplatte ihres Computers hatte und dass jeder Laptop und jedes Mobiltelefon mit Bluetooth ein potenzieller Radiosender war. Am meisten aber profitierte Singh davon, dass die Leute oft ausgerechnet dann die dümmsten Fehler begingen, wenn sie glaubten, sie seien besonders schlau und würden ganz spezielle Vorsichtsmaßnahmen treffen.
    In Amman war Singh für den digitalen Teil von Ferris’ Operation zuständig. Er hatte alles bekommen, was das Team in Omar Sadikis Hotelzimmer sichergestellt hatte – den Inhalt seines Adressbuchs und seines Terminkalenders sowie die Daten von der Festplatte seines Laptops und es auf Informationen durchgesehen, die man manipulieren oder sich anderweitig zunutze machen konnte. Viele seiner Kollegen fragten sich, ob er vielleicht im Büro übernachtete, weil er immer schon da war, wenn sie am Morgen kamen, und noch arbeitete, wenn sie abends wieder gingen. Hin und wieder saß er in der Cafeteria, wo er Musik von seinem iPod hörte und Pommes aß, aber ansonsten sah man ihn nie

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