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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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Junge von vielleicht zehn Jahren und ein merkwürdiger Alter mit weißen Haaren, der etwas in seine Pfeife stopfte, das aussah wie Weidenkätzchen, saßen auf den Stufen des Drugstores und ließen eine Feldflasche kreisen.
    Ein leichter Schauer überlief sie. Sie nickte ihnen kurz zu und bog dann in die Main Street ein, wo weitere Steckbriefe von Tom und Huck hingen. Wie es aussah, hatte Joe Harper die ganze Stadt damit plakatiert.
    Sie blickte nach links, und einen Block weiter entdeckte sie eine kleine Menschenansammlung an der Ecke zur Bird Street vor dem Büro des Sheriffs. Joe Harper war nirgends zu sehen, aber Jim Hollis stand auf der Veranda und sprach zu dem guten Dutzend Männern. Sie schnappte Wortfetzen auf: »bewaffnet«, »gefährlich«, »unschädlich machen«. Jim deutete in verschiedene Richtungen und teilte die Männer wohl in Gruppen ein.
    Becky erkannte Bürger der Stadt und dazwischen einige Fremde. Trapper, Fallensteller, Fährtenleser und Jäger, wie es aussah. Ein paar Veteranen waren auch dabei. Billy Fisher, der andere Hilfssheriff, hatte zwei Hunde, die heftig an der Leine zerrten. Collins Bluthunde. Er ließ sie an etwas schnuppern. Hucks Fransenjacke? Offenbar machten die Männer sich nun auf die Suche.
    Sie waren hinter Tom und Huck her.
    Tom.
    Wieder jagte ihr ein Schauer über den Rücken. Denk nicht an Tom, denk an deine Arbeit, ermahnte sie sich. Heute, am Tag vor der Wahl, würde sie den Artikel über Joe Harper bringen und auf Seite zwei ein kurzes Porträt von Saul Jones, dem Sohn des alten Walisers, der sich ebenfalls um den Posten bewarb. Sauls Chancen standen jedoch schlecht; jeder wusste, dass er nur darauf aus war, seinen mageren Lohn als Postmeister aufzubessern, und er hatte offen zugegeben, dass er nicht im Traum daran dachte, seine Arbeit im Postbüro aufzugeben, falls er der nächste Sheriff werden sollte. Damit gewann man nicht eben die Herzen der Bürger. Joe Harper versprach Freibier im Falle seiner Wahl. Das funktionierte schon eher.
    Das Redaktionsgebäude war nur noch einen Block entfernt, als Becky eine Bewegung hinter sich wahrnahm und einen schnellen Blick über die Schulter warf. Die drei Indianer waren ihr gefolgt. Becky hielt den Atem an und beschleunigte den Schritt. Mit fahrigen Bewegungen kramte sie den Schlüssel hervor. Die Männer hinter ihr holten auf. Was wollten sie?
    Sie hatte nichts gegen Indianer, aber die Meute vor dem Büro des Sheriffs war inzwischen außer Sichtweite, und sonst war niemand hier. Niemand, der sie hören würde. Unwillkürlich musste sie an die verschwundenen Frauen denken. Ob die Indianer doch etwas damit zu tun hatten, wie ihr Vorgänger in dem Artikel über Gracie Miller angedeutet hatte? Sie nahm die drei Stufen zur Veranda des Chronicle mit einem großen Schritt, dann stocherte sie mit dem Schlüssel im Schloss herum.
    »Missus?«
    Die Stimme des Indianers ließ sie herumfahren. Die beiden Männer und der Junge waren direkt hinter ihr. Der Anführer, der Mann mit der Hakennase, trug einen Dolch am Gürtel, der Junge hatte ein Gewehr in den Händen. Der merkwürdige Alte, dem die weißen Strähnen ins Gesicht hingen, grinste schief unter einem tief in die Stirn gezogenen Schlapphut. Becky atmete schneller.
    »Was ist? Was wollen Sie von mir?« Becky spähte an den Männern vorbei zur Straße. Der alte Mann war unbewaffnet, er ging gebeugt, und er humpelte. Wenn sie flüchten müsste, würde sie es an ihm vorbei versuchen. Doch plötzlich richtete sich der Alte auf und machte einen Schritt auf sie zu.
    Sie wich zurück, stieß mit dem Rücken an die Tür.
    Der Alte kam näher, und mit jedem Schritt, den er tat, straffte er sich ein bisschen, und sie erkannte, dass seine Zähne mit Farbe geschwärzt waren und dass seine weißen Haare aussahen wie Wolle. Er roch sogar nach Schaf.
    Der Alte grinste, dann sagte er mit Toms Stimme: »Hast du vielleicht einen Kaffee für meine Freunde und mich, Becky?«
    ~~~
    Der Kaffee war noch kochend heiß, und Tom verbrannte sich die Zunge und den Rachen, als er ihn hinunterstürzte. Fäden der Schafwolle, die er auf dem Kopf trug, hingen ihm in den Mund. Er fühlte sich matt, schwindelig, und manchmal verschwamm sein Blick. Wann hatte er das letzte Mal eine Stunde geschlafen? Vorgestern? Vorvorgestern?
    Shipshewano räusperte sich, während Becky noch mit verschränkten Armen vor ihm stand, sein seltsames Äußeres musterte und auf eine Antwort wartete.
    Tom nickte von ihr zu Shipshewano. »Gib

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