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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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nicht, wo ich hinsoll, und ich … hab dir so viel Kummer gemacht … dir und Sid … und ich weiß wirklich nicht –«
    Sie packte ihn. Packte ihn einfach und küsste ihn, und Tom zuckte zurück, aber sie ließ ihn nicht los, und dann war es, als tauchte er in sich selbst ein. Als könnte er ganz in Becky verschwinden und mit ihm wie in einem endlosen Strudel alle Zeitungsblätter um sie herum, die Redaktion, die ganze Stadt.
    Alles konnte plötzlich verschwinden, nur weil sie ihn küsste.
    Er erwiderte den Druck ihrer Lippen, presste sie an sich, und sie fuhr ihm mit ihren langen Fingern durch das Haar. Dann spürte er ihre Fingernägel auf seinem Rücken, und ein Schauer überlief ihn. Er löste sich für einen Moment von ihr, sah ihr in die Augen. »Ich liebe dich. Schon immer. Aber ich glaube, das weißt du«, sagte er, und sie lächelte nur, küsste ihn auf den Mund, schob ihn sanft nach hinten, und er setzte sich auf die Holzplatte, auf der frisch gedruckte Zeitungsbögen lagen und zu Boden glitten.
    Tom küsste ihre Wangen, ihren Hals, ihr Dekolleté. Sie schloss die Augen, drängte sich an ihn, presste ihre Hüften gegen seine, und er legte die Hand auf ihr Kleid, umfasste ihren Busen. Ein leiser Seufzer entfuhr ihr, sie öffnete die Augen, sah ihn lächelnd an, und wieder presste sie ihre Lippen auf die seinen, und sie küssten sich. Tom streifte den Ärmel ihres Kleides über ihre weiche Haut. Beckys hochgesteckte Haare lösten sich wie von allein und fielen ihr wie ein goldener Regen über die Schultern bis auf die Brust, die mit wenigen Sommersprossen gesprenkelt war. Sie öffnete seinen Gürtel, und Tom fühlte sich mehr als bereit, etwas zu Ende zu bringen, was vor so langer Zeit in einer Scheune im Regen begonnen hatte.
    Er ließ sich rücklings auf den Druckertisch sinken und zog sie zu sich herunter, fuhr mit der Hand unter ihren Rock und an ihren Beinen entlang. Er staunte, staunte über sie und über sich und über ihre wahnsinnig weiche Haut. Als er das Schleifchen an ihrem Unterkleid löste, seufzte sie abermals auf, schloss die Augen und reckte sich seiner Hand entgegen.
    Und dann war da das Geräusch.
    Das hässliche Geräusch einer knarrenden Diele.
    Tom blickte an Becky vorbei und sah in die weit aufgerissenen Augen seines Bruders. Sid stand wie versteinert in der Tür zum Vorraum, seine Wangen waren tiefrot angelaufen, und das schütter werdende Haar hing ihm in die Stirn, als hätte er mehrmals heftig den Kopf geschüttelt. Wie lange stand er dort schon? Er hatte eine schmale Ledermappe in der Hand, als wäre er gerade auf dem Weg zur Arbeit.
    Becky bemerkte Toms Zögern. »Was ist, du –«, setzte sie an.
    Das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand augenblicklich, als sie sich umwandte und Sid ebenfalls entdeckte. Blitzschnell richtete sie sich auf, zog ihr Kleid über die unbedeckte Brust. »Sid! Ich –«
    Sids Mund stand offen, er schüttelte den Kopf, seine Augen schimmerten feucht. Dann ließ er die Tasche fallen.
    Tom rechnete damit, dass sein Bruder auf ihn losgehen würde, und hob abwehrend die Hand. »Moment, Siddy, du solltest jetzt wirklich –«
    Sid wühlte in seiner Anzugtasche und zog etwas Kleines, mattsilbern Glänzendes hervor. Eine Remington Double Derringer, eine Damenpistole mit Perlmuttgriff. Seine Hand zitterte, als er die Waffe auf Tom und Becky richtete.
    »Sid! Nicht! «, brüllte Tom, sprang auf und zog Becky hinter sich. Becky schrie ebenfalls, Tom stürzte auf Sid zu, doch dann hörte er plötzlich nichts mehr. Alles wurde vom Knall der Derringer übertönt.
    Pulverdampf erfüllte das Redaktionsbüro.
    Und Tom ging zu Boden.
    ~~~
    Es war, als hätte jemand ihm eine glühende Klinge in die Schulter gestoßen. Die Wucht der Kugel hatte Tom von den Füßen gerissen.
    »Tom!« Beckys Schrei ließ die Fensterscheiben vibrieren.
    Tom krümmte sich vor Schmerz auf dem Boden und versuchte, wieder hochzukommen, spürte den Herzschlag in seinen Schläfen pochen und wie Blut aus der Wunde sickerte.
    »Du Mistkerl!« Taumelnd stand Tom auf und fasste sich an die linke Schulter. Wenn Sid auch die zweite Kugel abfeuern würde, wäre alles vorbei.
    Doch Sid warf die kleine Pistole weg, stürzte sich mit einem zornigen Aufheulen auf Tom und riss ihn wieder von den Füßen. Becky machte einen Satz zurück, um nicht ebenfalls zu Boden gerissen zu werden. Tom knallte mit dem Rücken auf die Dielen und stieß sich den Kopf an.
    Türme aus alten Zeitungen gerieten ins

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