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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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denn da?«
    Tom stieß seinen Bruder erneut mit dem Stiefel an. »Wer, Sid? Wer hat das Schulmädchen gevögelt, hm?«
    Sid stöhnte. Er blinzelte von Tom zu Becky, dann atmete er tief ein, schlug die Augen nieder und seufzte. »E-es tut mir leid, Becky.«
    »Nein!« Becky sprang auf, das Gesicht hochrot. Sie holte aus und versetzte Sid einen Tritt in den Unterleib. Sid stöhnte auf, und Tom verzog schmerzhaft das Gesicht.
    »Wie konntest du so etwas tun!« Becky gab Sid einen weiteren Tritt in die Seite.
    Allmählich bekam Tom Angst, dass Sid wieder die Besinnung verlieren würde, und er streckte den Arm aus und hielt sie zurück. »Hör auf. Das reicht!«
    Becky hielt inne, sie ballte die Fäuste und zitterte am ganzen Leib vor Zorn.
    »Lass ihn. Er hat bekommen, was er verdient.« Tom ließ sie wieder los.
    Sid keuchte. Dann fletschte er die Zähne und zischte. »Es tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe, Becky. Aber es tut mir nicht leid, dass ich diesen Dreckskerl hier angeschossen habe.«
    Tom sagte nichts, er sah Sid nur ganz ruhig an. Sid rollte sich auf die Seite, stützte sich auf eine Schulter und stemmte sich mit den auf dem Rücken gefesselten Händen mühsam in eine kauernde Haltung. »Und für Becky tut es mir leid, dass sie wieder auf dich reingefallen ist. Wo du hinkommst, verbockst du alles, Tom. Mit Polly, mit mir, sogar mit Präsident Lincoln. Du wirst auch das mit Becky wieder verbocken, ganz einfach, weil du ein Verlierer bist.« Er spuckte aus. Ein wenig Blut spritzte auf die Zeitungen.
    Tom musterte ihn stumm.
    Sid lehnte sich mit dem Rücken an die Druckerpresse, schob die Unterlippe vor und blies sich eine Strähne aus der Stirn. »Die ganze Stadt sucht nach dir und nach deinem feinen Freund Huck Finn, Tom. Ich habe gerade Joe Harper getroffen. Er hat Verstärkung aus Palmyra angefordert, und der Richter ist bereit, die Belohnung noch einmal zu erhöhen. Du und dein Mordgeselle, ihr habt keine Chance. Man wird euch bald finden. Und du blöde Kuh hilfst ihm auch noch, Becky. Das werdet ihr büßen, das schwör ich euch.«
    Tom hob die Derringer vom Boden auf und richtete sie auf Sid. »Wo hast du Joe Harper getroffen?«
    ~~~
    »Der Sheriff? Der hat mich hier abgesetzt. Dann ist er mit seinem Wagen dort langgefahren.« Der junge Mann mit dem eindrucksvollen Backenbart beschirmte die Augen gegen die Sonne und deutete auf den schmalen Weg, der sich den Cardiff Hill hinaufwand. Er stand in Pollys Gärtchen; um ihn herum auf dem Boden lagen rot lackierte Pflöcke. Der Vermessungsingenieur, der sich als Mr Albright von der St. Louis & St. Petersburg Railway vorgestellt hatte , tätschelte den wuchtigen Theodoliten aus Messing, der auf einem Stativ vor ihm stand und mit dessen Fernrohren er das gegenüberliegende Ufer anpeilte. »Das Baby hier wiegt mit Stativ gute vierzig Pfund. Bin froh, dass Sheriff Harper angeboten hat, mich mit seinem Wagen hierherzubringen. Jetzt, wo das Grundstück verkauft ist, können wir endlich mit den Arbeiten für die Brücke anfangen.«
    Tom nickte. Sid hatte keine Zeit verloren. »War er allein?«
    »Ja, Sir.« Der Geodät zog ein kariertes Taschentuch hervor, wischte sich über die schweißglänzende Stirn und begann dann, Knoten in die Zipfel des Tuchs zu machen, um sich eine Kopfbedeckung gegen die erbarmungslose Sonne zu schaffen. »Auf dem Weg hierher hat er mir gesagt, er habe nicht viel Zeit, er müsse nach zwei Verbrechern auf der Flucht suchen, aber dann schien er es sich anders zu überlegen und war mehr an den Hunden interessiert.«
    Tom zog die Stirn in Falten. »An den Hunden?«
    Albright nickte. »Ja. Das können Sie glauben oder nicht. Zuerst sieht er so einen kleinen struppigen Köter mit weiß-braun geschecktem Fell, der an uns vorbei zum Hügel läuft, und sagt: ›Das ist der Hund von dem Bastard‹, und er meint damit den Verbrecher, den er sucht …«
    Tom schluckte. Harper hatte Hollis gesehen? Aber warum interessierte ihn das? Dachte er tatsächlich, Hollis könnte ihn zu Tom führen?
    Albright legte sich die Mütze aus dem Taschentuch über den Kopf, dann deutete er mit dem Zeigefinger unbestimmt zum Mississippi-Ufer. »Da unten war noch ein Hund. Ist da rumgelaufen und hat geschnuppert. Das war so ein dickes schwarzes Vieh, riesengroß, und das eine Ohr war grau. Der Sheriff kannte auch diesen Hund. Gehört Harbins oder Harmson oder so, hat er gesagt.«
    »Harbinsons Hund.«
    Tom blickte über die Schulter zu Becky, die das gesagt

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