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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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über den Kopf laufen ließ, und er fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach, obwohl ihn gleichzeitig fröstelte.
    Tom musste endlich wieder eine ganze Nacht durchschlafen, sonst würde er keine zwei Tage mehr durchhalten.
    Und er musste zu Huck. Und zwar gleich. Vielleicht ging es ihm ja besser. Vielleicht war er bei Bewusstsein. Die Schlüssel zum Gefängnis würde er um diese Zeit wohl kaum bekommen, aber er konnte zumindest durch das Fenster nach ihm sehen – wie früher, wenn er und Huck Muff Potter besucht hatten, als der im Knast saß.
    Tom blickte nach oben, in den Wasserstrahl, der aus der Regenrinne kam, als ein Geräusch ihn aufmerken ließ.
    Die Hufe eines Pferdes stapften nicht weit entfernt vorbei.
    Tom machte rasch einen Schritt zur Seite und ging in die Hocke. Wer immer es war, er sollte nicht sehen, wie er betrunken und schlammverschmiert unter einer Regenrinne stand und sich wusch. Es war ein Rotfuchs, soweit Tom erkennen konnte. Und das Pferd kam ihm bekannt vor. Der Reiter trug einen dunklen Gehrock und hatte den Hut gegen den stärker werdenden Regen tief ins Gesicht gezogen. Eine markante Nase ragte dennoch hervor.
    Hollis winselte und legte die Schnauze in Toms Schoß, und Tom hielt ihm mit der Hand das Maul zu. »Schhhh, Hollis. Ganz ruhig«, flüsterte er.
    Der Reiter war Richter Thatcher. Was machte Beckys Vater um diese Zeit auf der Straße hinter dem Hurenhaus?
    Thatcher blickte in Toms Richtung, und Tom hielt den Atem an. Aber Thatcher schien ihn im Schatten der Häuserwand nicht wahrzunehmen und ritt vorüber.
    Ganz langsam schob sich Tom zur Hausecke und spähte in die im Dunkel liegende Bird Street hinter Richter Thatcher her. Einen Block weiter zügelte der Richter sein Pferd und stieg ab. Vor dem Büro des Sheriffs. Das Licht aus einer offenen Tür fiel auf Thatchers Gesicht, und er band den Rotfuchs an.
    Tom trat auf die Straße und ging an den Veranden der Geschäftshäuser entlang, auf das Haus zu. Das Licht erlosch. Thatcher war hineingegangen. In das Büro des Sheriffs.
    Was in aller Welt war so eilig, dass es nicht bis morgen warten konnte? Und daran, dass die Tür aufgegangen war, bevor Thatcher überhaupt angeklopft hatte, erkannte Tom, dass Joe Harper den Richter wohl erwartet hatte.
    Hollis trabte munter hinter Tom her und schnappte nach dessen Hosenaufschlägen. Tom blieb stehen und schob den Hund sanft von sich. »Geh weg, Hollis! Ich kann dich jetzt nicht brauchen.«
    Hechelnd blieb der Hund sitzen und legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Als Tom jedoch weiter auf das Haus zuschlich, folgte Hollis ihm wieder und schnappte nach Toms Beinen. Tom seufzte, sah sich um und entdeckte eine Schürze, die neben nassen Kleidern auf einer Wäscheleine zwischen zwei Häusern hing. Er nahm die Schürze und band Hollis damit an dem Stützpfeiler einer Veranda fest.
    Der Hund begann zu winseln.
    »Schhhh, leise, Kumpel. Ich hol dich ja bald wieder ab!«
    Tom war nur noch ein Haus vom Büro des Sheriffs entfernt, als die Tür erneut aufging und Billy Fisher, der Hilfssheriff, in das Viereck aus Licht trat, das aus dem Büro auf die Holzdielen der Veranda fiel. Tom drückte sich rasch in den Türsturz des Nachbarhauses und hörte Billy leise fluchen. Vorsichtig spähte Tom hinüber. Billy lehnte am Geländer der Veranda und steckte sich eine Zigarette an. Sein Chef und der Richter hatten Billy wohl hinausgeschickt.
    Eines der Oberlichter an der Seite des Gebäudes stand offen, und als Billy ihm den Rücken zudrehte, rannte Tom über die Gasse und drückte sich an die Seitenwand des Sheriffsbüros. Er legte das Ohr an das Holz. Dumpf drangen die Stimmen von Thatcher und Harper zu ihm. Aber er konnte nicht genau hören, was sie sagten. Er musste näher heran.
    An der Hauswand standen achtlos aufeinandergestapelt leere Munitionskisten und Pulverfässer, auf denen der Stempel der Unionsarmee verblichen schimmerte. Tom zog eines der Fässer so geräuschlos es ging zu sich und kletterte darauf. Das Fass neigte sich unter Toms Gewicht leicht zur Seite und versank ein Stückchen im Matsch.
    Vorsichtig lugte Tom durch den Fensterspalt. Eine Petroleumlampe verbreitete fahles Licht im Raum. Joe Harper lief in seinem Büro auf und ab, während Richter Thatcher in Joes Lehnstuhl saß und eine Pfeife stopfte.
    »… und da bist du dir ganz sicher, Joe?«
    »Er hat danach gefragt, Richter. Ganz sicher.«
    »Das ist schlecht. Er sollte sich nicht dafür interessieren. Außerdem gefällt es mir nicht,

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