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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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›Mit Kiefer fährste schiefer‹, heißt’s bei uns immer, und wir wissen, warum, oh ja, Sir! Die haben das gemacht, weil Kiefer weniger Lärm macht als Eiche. Wollten se in der Stadt so haben, aber bei jedem Regen quellen die Mistdingers auf, und ich lauf mit’m Eimer voll Carbolineum bis zum Ende der Stadt und pinsel die Mistdingers wieder ein, damit se noch was halten, bevor man se wegschmeißen muss.«
    Tom lauschte Isaacs Litanei eine ganze Weile, bis ihm klar wurde, dass der Mann über Eisenbahnschwellen redete.
    »So hab ich ’n gefunden. Ich geh bei Ripleys Pferchen vorbei mit mei’m Eimerchen, pfeif mir ’n Lied und denk mir nichts Böses, guckt da ’ne Hand unterm Zaun raus. Bin ich natürlich sofort zu Mr Hayward, und der hat ’n Sheriff geholt. So sieht’s nun mal aus.«
    Sie standen am Gleisdreieck, fast am Ortsrand, wo die Strecke sich teilte. Nach Norden führten die Gleise weiter am Mississippi entlang Richtung Keokuk. Die Schienen, die hier nach links abzweigten und in einem weiten Bogen nach Westen führten, verliefen durch den Tunnel im Hydesburg Hill und dann weiter über Palmyra bis hin zum westlichen Ende der Bahnstrecke und damit dem westlichen Ende des Staates Missouri in St. Louis.
    »Da drüben isses. Beim zweiten Pfosten, da isser gelegen.« Isaac deutete auf den groben Holzzaun vor ihnen, der etwa dreißig Yard lang hüfthoch zwischen zwei Gebäuden verlief: einem Stall und einer Baracke für die Arbeiter.
    Der Gestank und das lautstarke Gegrunze von zwei Dutzend Schweinen schlugen ihnen entgegen. Tom fasste Isaac am Arm, damit der stehen blieb. »Warten Sie hier.«
    »Ja, Sir.«
    Nachdem Isaac, der Stationsvorsteher, Harper und der Bestatter mit seinem Gehilfen hier herumgetrampelt waren, hatte Tom nicht mehr viel Hoffnung, verwertbare Spuren zu finden, aber man musste die Sache ja nicht unnötig schlimmer machen, als sie ohnehin schon war. Er wandte sich zu Becky. »Du bitte auch.«
    Becky zog die Stirn kraus und wollte gerade etwas erwidern, als Tom schon besänftigend die Hand hob. »Nur kurz. Bitte.«
    Sie nickte, und Tom ging für einen Moment in die Hocke und drückte Hollis’ Hinterteil auf den Boden. »Sitz, Hollis. Warte hier, ja?«
    Hollis stand wieder auf, kaum dass Tom ihn losgelassen hatte, und Becky warf Tom einen belustigten Blick zu, ging in die Knie und hielt Hollis fest.
    Tom lächelte etwas ratlos zurück. Wie konnte sie nur so sein? Wie konnte sie nur so tun, als wäre in den Ruinen von Marion City nichts passiert zwischen ihnen? Es schien so, als hätte sie den Kuss und die nachfolgende Ohrfeige vergessen.
    Er riss sich von ihrem Anblick los, stand auf und ging langsam auf den zweiten Pfosten des Zauns zu. Sie waren auf einem schmalen schlammigen Weg hergekommen, der genau zwischen den Gleisen und den Pferchen und der Rückseite der Gebäude verlief. Tom hielt den Blick auf den Boden geheftet.
    Im aufgeweichten Morast waren zahllose Stiefelabdrücke und die Spuren von Fuhrwerken zu erkennen. Ein paar vereinzelte Blätter lagen herum. Er suchte auf gut Glück in den Radfurchen nach den halbmondförmigen Einkerbungen, aber er konnte keine entdecken. Vermutlich waren es nur die Spuren des Bestatterkarrens.
    Als er sich der Stelle näherte, wo man Jebs Leiche gefunden hatte, wurden die Fußabdrücke dichter, der Matsch war zwischen den Sohlen hochgequollen. Was auch immer es an Fußspuren gegeben hatte, sie waren zerstört. Ein paar Schweine lagen in der Nähe des Zauns im Dreck und suhlten sich. Als Tom näher trat, blickten sie auf und grunzten träge. Jenseits der Pferche, auf Ripleys Grundstück, hackten schwarze Arbeiter Holz und machten Feuer unter einem fast mannshohen Kessel. Sie nahmen keine Notiz von Tom. Er untersuchte die groben Bretter, die den Zaun bildeten. An der ihm zugewandten Seite entdeckte er ein paar Blutspritzer. Also gab es keinen Zweifel.
    »Becky … äh … Rebecca!«
    Er winkte sie zu sich und blickte dann über den Zaun. Eine Vertiefung im Schlamm ließ noch erahnen, wo der Körper gelegen hatte. Dort, wo man den Abdruck des Kopfes schemenhaft ausmachen konnte, war der Boden dunkler. Blut hatte die Stelle gefärbt.
    »Was ist? Hast du etwas gefunden?« Becky war neben ihn getreten.
    Tom deutete auf die Blutspuren am Holz. »Tut mir leid für Mr Hayward und seine Eisenbahn, aber Jeb ist zweifelsohne von dieser Seite in den Pferch gekommen.«
    Becky zückte ihr Notizbuch und kritzelte etwas hinein. »Und sonst?«
    Sie blickte

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