Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman
Gefängnis gegangen war und er durch das Fenster mit Huck gesprochen hatte und wie er von Jeb und Dale dort überfallen worden war. Ob sie ihn verfolgt hatten oder ob sie ihm aufgelauert hatten, wisse er nicht, jedenfalls hätten sie ihn windelweich geprügelt und dann auf den Gleisen ein paar Meilen vor der Stadt festgebunden, damit der Mittagszug ihn überfahren sollte.
»Was?« Becky sah ihn entsetzt an.
Er nickte und sprach dann wieder zu Joe. »Zum Glück hat ein Junge mich gefunden und losgeschnitten. Seine Familie hat mir geholfen. Ich konnte kaum gehen, geschweige denn jemanden fesseln und ihm mit einem Hammer den Schädel einschlagen. Ich hab’s mit Müh und Not hierhergeschafft.«
Joe Harper nickte ungerührt. »Hübsche Geschichte. Und ein Grund mehr, warum du es auf Jeb abgesehen hattest. Ich nehme an, die ›Familie‹ kann das bestätigen, wenn ich mit ihnen rede.«
Tom seufzte. »Ja, Joe. Ich schätze, das könnte sie. Aber vielleicht solltest du lieber mal mit Dale reden. Vielleicht kann er dir verraten, wo er und sein Kumpel Jeb in dieser Nacht waren und was sie gemacht haben. Vielleicht gab’s ja Streit? Dale ist nicht gerade der Typ, der lange diskutiert.«
Joe Harper zwirbelte seine Schnurrbartspitze, dann spuckte er aus. »Würd ich ja machen, du Schlaumeier. Aber ich weiß leider nicht, wo Dale ist. Er ist verschwunden. Vielleicht hast du ihn ja auch nur besser versteckt als Jeb?«
Tom blinzelte. »Er ist verschwunden?«
Harper nickte, und als er gerade etwas erwidern wollte, räusperte sich der Bestatter, der bisher schweigend neben dem Karren gestanden hatte. Der junge rothaarige Mann strich seine Weste glatt und deutete dann mit dem Daumen unbestimmt über die Schulter. »Ähm, Sheriff … ich hab da noch einen Eichensarg in der Werkstatt, der …«
Harper blickte sich um. »Natürlich, Nate. Wir sind hier fertig.«
Nathaniel nickte seinem Angestellten zu, und der alte Mann mit den weichen Zügen packte Jeb grob an den Beinen, während Nathaniel über die Seitenwand des Karrens nach Jebs Schultern griff. Eine struppige Katze, der ein Ohr fehlte, saß auf dem Lattenzaun und sah ihnen dabei zu, während sie sich die Pfote leckte.
Mitfühlend legte Becky Tom eine Hand auf die Schulter. »Du solltest zu Dobbins oder zu deinem schwarzen Doktor gehen und nachsehen lassen, ob mit dir alles in Ordnung ist.«
Tom drehte sich um und sah ihr in die Augen. Der Stich in seinem Herzen machte ihm klar, dass alle guten Vorsätze, sie aus seinem Leben zu verbannen oder ihr auch nur böse zu sein, weil sie ihn schon wieder geohrfeigt hatte, vorerst nur ein frommer Wunsch bleiben würden. Als er auf den Schienen lag, hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als sie wiederzusehen. Er wusste, warum, doch er wusste auch, dass er sich falsche Hoffnungen machte.
Er konnte sich gerade noch zurückhalten, ihr eine Strähne, die sich aus ihrem Haar gelöst hatte, aus der Stirn zu streichen. Stattdessen fragte er: »Wie geht es Huck?«
Becky nickte. »Besser. Er schläft viel, und er ist immer noch schwach. Aber ich schätze, er kommt durch.«
Tom seufzte vor Erleichterung. »Gut. Das ist gut, ich werde ihm –«
Wieder legte sich eine Hand auf Toms Schulter. Diesmal war es Joe Harpers Pranke, und die war alles andere als mitfühlend. »Ich hab dir gesagt, du sollst dich zur Verfügung halten, Tom. Vor drei Tagen bei Mr Dobbins. Wegen dem Telegramm, du hast es bestimmt nicht vergessen.«
Das Telegramm. Der Sonderbeauftragte. Tom stöhnte innerlich auf.
Bei all den Problemen, den Schmerzen und den vielen ungelösten Fragen, die sich in den letzten drei Tagen wie ein Mühlstein auf seine Schultern gelegt hatten, war ihm glatt entfallen, dass er noch eine Rolle in einem Theaterstück zu spielen hatte, das in Washington aufgeführt wurde. Er seufzte. »Nein, Joe, ich hab’s nicht vergessen. Aber ich hab dir ja schon gesagt, dass ich ein paar Schwierigkeiten hatte.«
»Deine Schwierigkeiten sind mir scheißegal. Wenn du ab jetzt auch nur pissen gehst, ohne mir Bescheid zu sagen, wo, leg ich dich in Ketten. Verstanden? Und jetzt sag mir, wo du die letzten Tage gewesen bist, damit ich mit diesen Leuten sprechen kann.«
»Sie heißen Fletcher, Farmerfamilie mit zwei Jungs, wohnen drei Meilen hinter Monroe an der Bahnlinie. Einfach den Gleisen folgen, du kannst es nicht verfehlen.«
Tom hoffte, dass diese Lüge ihm etwas Zeit verschaffen würde.
Harper spuckte in den Staub, dann stieß er den
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