Der Mann, der sein Leben vergaß
erzeugte in ihm wieder einen Schauer von Grauen. Das ist nun einer der geehrtesten Gelehrten und Ärzte Portugals, dachte er bebend, und keiner weiß, daß hinter seinem Namen der vielfache, weiße, schreckliche Tod steht: Kokain, Opium, Morphium …
»Es ist am besten, du siehst dir diesen sauberen Vogel einmal an«, sagte er laut. »Ich werde ihn holen lassen.«
Doch Destilliano winkte ab und lehnte sich behaglich zurück.
»Das hat Zeit«, meinte er. »Ich möchte mir den schönen Tag nicht verderben lassen. So ein Flug mit etlichen Zwischenlandungen ist nicht gerade ein Vergnügen. Heben wir uns die nette Aussprache für morgen auf. Außerdem glaube ich, daß wir zwei Wichtiges zu besprechen haben. Deine Ölaktien machen mir ernstlich Sorgen. Und in die Oper möchte ich heute abend auch. Ich habe auf dem Flugplatz gesehen – man spielt den ›Troubadour‹.«
Manolda nickte und stellte seinem Freund eine Flasche Kognak hin. Dann rief er den Sekretär und trug ihm auf, für den heutigen Abend seine Loge herzurichten. Dann holte er noch zwei gute Flaschen Rheinwein aus dem Keller und gab sich dann alle Mühe, Pieter van Brouken für einige Stunden zu vergessen und sich mit Eifer an den geschäftlichen Plänen Prof. Destillianos zu beteiligen. Es ging um die Rettung seines Vermögens und um die Ausdehnung des ›Exportes‹ nach Deutschland, das sich in spätestens einem Jahr von der Inflation erholt haben mußte. Auch lockte der brachliegende belgische Markt, für den Destilliano Antwerpen als ›Einfuhr-Hafen‹ vorschlug.
Gewaltsam riß sich Don Manolda von seinen Gedanken um Pieter van Brouken los und verfolgte die Rede seines Freundes.
Doch er wurde eine innere Unruhe nicht los, die ihn bedrückte und unsicher machte.
Und im Hintergrund aller Gedanken wühlte immer die eine, rätselhafte Frage:
Wie kommt Pieter van Brouken zu dem Namen Dr. Albez?!
Erregt donnerte am nächsten Morgen Konsul Don Manolda an die Zimmertür seines Freundes.
Es dauerte eine geraume Zeit, bis sich Prof. Destilliano erhob und im Nachthemd öffnete. Erstaunt steckte er den Kopf durch einen Spalt der Tür. Aber Manolda drückte sie ganz auf, stürmte ins Zimmer und warf einen Packen Morgenzeitungen auf das Bett. Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Da, lies das!« rief er erregt. »Alle Zeitungen sind voll! Im Rundfunk geben sie es dauernd durch, überall hängen große Steckbriefe: Pieter van Brouken verschwunden! Und dann das Bild – da« – er wies auf eine Zeitung –, »genau das Gesicht unseres rätselhaften neuen Doktors Albez!«
Destilliano, den diese Nachricht nicht aus der Ruhe brachte, betrachtete die Fotografie und legte dann die Zeitung hin.
»Gar keine Ähnlichkeit mit dem richtigen, verstorbenen Doktor Albez«, meinte er bedachtsam. »Wenn das dein Mann ist, so ist er gewiß der vermißte Pieter van Brouken.«
»Aber er spricht Portugiesisch!«
Gegen dieses scharfe Argument kam selbst der Professor nicht auf. Nachdenklich betrachtete er nochmals das Bild van Broukens und wühlte mit einer Hand in seinen dichten, weißen Haaren.
»Es ist möglich, daß dieser van Brouken ein Doppelleben führte. Wie lange ist er denn bei der Sparkasse?«
»In der Zeitung steht: 7 Jahre!«
»Und wie alt ist er?«
»35 Jahre.«
»Hm. Dann kam er mit 28 Jahren an die Sparkasse.« Destilliano sah auf. »Und was machte er vorher?«
»Das ist unbekannt – wenigstens mir«, gestand der Konsul. »Du meinst, er könnte vorher in Portugal gewesen sein?«
»Zu erwägen ist alles«, nickte Destilliano. »Ich fände sonst keine Erklärung für seine Sprach- und Ortskenntnisse. Auf jeden Fall sehe ich mir den Burschen jetzt einmal an.«
Schnell wusch er sich und kleidete sich an und ging dann mit Manolda in die Bibliothek. Dem herbeigerufenen Sekretär trug der Konsul auf, Dr. Albez herunterzubitten.
Es dauerte nicht lange, so klopfte es, und der geheimnisvolle Fremde trat mit großen Schritten ein. Prof. Destilliano, der sich hinter die Tür gesetzt hatte, konnte er deshalb nicht sehen, sondern er eilte sofort auf Don Manolda zu und schien sehr aufgeregt zu sein.
»Señor Konsul«, rief er aufgebracht. »Was soll das bedeuten?! Ich verlange eine Erklärung! Man schließt mich ein, als sei ich ein Verbrecher, verpflegt mich durch einen Speiseaufzug und kümmert sich fast 24 Stunden nicht um mich! Ich bin als Akademiker eine solche Behandlung nicht gewöhnt!«
Schon bei den
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