Der Mann, der sein Leben vergaß
wie möglich. »Sie müssen Verbrechern in die Hände gefallen sein, die Sie unter Hypnose setzten, in eine Wachtrance, unter der Sie, geleitet durch den Willen der Schurken, zwei Jahre lang ohne Ihr reales Wissen lebten!«
Ungläubig, innerlich aufgewühlt und weiß im Gesicht vor einem unbestimmbaren Grauen, sank Dr. Albez in den Sitz zurück.
»Dann habe ich zwei Jahre lang unter Hypnose als Pieter van Brouken gelebt?« stammelte er.
Professor Destilliano nickte. Er konnte ihm ja nicht sagen, daß alles genau umgekehrt war, daß er Pieter van Brouken war und das Leben des toten Dr. Albez weiterlebte. Aber die Erschütterung war so schon groß genug, um Dr. Albez stumm und tief nachdenklich zu machen.
Anita, die von alldem nichts verstand, blickte erstaunt und von einer unbestimmbaren Ahnung erfüllt von einem zum anderen und hatte große, schwarze, fragende Augen.
Nach langer Zeit wischte sich Dr. Albez endlich mit der Hand über die Augen.
»Das ist ja kaum zu glauben«, sagte er stockend. »Zwei Jahre Leben, von dem man nichts weiß?!«
»Aber es ist so! Ich habe – und daran sehen Sie die Wahrheit – nach Ihrem spurlosen Verschwinden Ihr Haus gekauft und als Laboratorium umgebaut.«
»Sie haben …« Dr. Albez schüttelte den Kopf … »Also stimmt es doch … Toll … einfach toll!«
Er versank in ein fruchtloses Brüten und stierte vor sich hin. Selbst das Plappern Anitas konnte ihn nicht emporreißen – es floß an ihm vorbei, als sei es fremd, und drang nicht in seine Sinne ein.
Das waren die gefährlichsten Minuten für Professor Destilliano, der lauernd auf der Wacht saß und jeden Augenblick die Rückentwicklung in Pieter van Brouken erwartete.
Als die klappernde Taxe endlich vor der Rua do Monte do Castello 11, dem Hause Destillianos, hielt und Dr. Albez interessiert aufblickte, atmete der Professor hörbar auf, und sein Gesicht verlor den gespannten, maskenhaften Eindruck. Mit einer triumphierenden Freude sprang er aus dem Wagen und half Anita und Dr. Albez heraus auf die ungepflegte, grob gepflasterte Straße.
Mit einem halb resignierenden, halb ratlosen Lächeln überzeugte sich Dr. Albez, daß sein Haus wirklich zu einem bakteriologischen Laboratorium umgebaut war, und das schreckliche Bewußtsein, statt 5 Tage zwei volle Jahre im Unbewußten gelebt zu haben, machte ihn plötzlich scheu und ängstlich vor sich selbst.
»Es ist selbstverständlich, daß Sie zu mir ziehen«, riß ihn Professor Destilliano aus seinen Gedanken. »Wenn Ihr Haus nicht völlig umgebaut wäre, würde ich Ihnen sofort Ihren Besitz zurückgeben. So werde ich Sie auszahlen müssen. Doch eine Überraschung habe ich für Sie: etwas, was Sie sehr freuen wird, habe ich aus Ihrem Fuchsbau verwahrt, ja, fast gerettet: Ihre schöne Bibliothek!«
Ein Leuchten sprang für einen Augenblick in die Augen Dr. Albez'.
»Meine Bücher haben Sie noch?!« rief er. »Dann ist der Verlust nur halb so schmerzlich. Ich hatte ja nur eine Leidenschaft – die Bibliothek!« Er wandte sich an Anita. »Bis heute, wo ich Sie wiedersah …«
Tief errötete das Mädchen, schlug die Augen nieder und eilte den Männern voraus in das Haus.
Lächelnd hob Destilliano die Hand und drohte spaßhaft.
»Verwirren Sie mir das Mädel nicht, Doktor!« rief er lachend. »Sie kocht für uns – und ich möchte nicht immer versalzene Suppen essen!«
Das Apartment, das Dr. Albez als Wohnung zugewiesen bekam, lag im ersten Stock mit einem herrlichen Blick auf das in der Sonne glitzernde Castello.
Ein weiträumiges Schlafzimmer, ein Herrenzimmer mit seiner alten Bibliothek, ein Rauchsalon und ein großer Balkon mit Liegestuhl und Sonnenschirm nach dem ungepflegten und verwilderten Garten hinaus bildeten sein neues Heim. Prof. Destilliano bewohnte das untere Stockwerk, Anita Almiranda die zweite Etage. In den Bodenkammern hausten ein Diener, eine Wäscheflickerin und ein Gärtner, von dessen Dasein und Tätigkeit Dr. Albez erst spät etwas merkte und der Garten überhaupt nichts!
Wenn er die Fenster seines Herrenzimmers öffnete und hinaus über die weite Stadt blickte, fühlte er wie so oft einen beklemmenden Druck in der Brust bei dem Gedanken, einmal dieses Leben, dieses herrliche, freie Leben verlassen zu müssen, um es nie wiederzuerlangen. Dann zog er sich meist auf das breite Sofa zurück und unterdrückte gewaltsam diese schwermütigen Gedanken, trank eine Flasche Wein oder rauchte eine starke amerikanische Zigarette.
Den ersten Tag hatte
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