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Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte

Titel: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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Jose «rückfällig» wurde, sich wieder in die Isolation zurückzog, als gebe sie ihm Sicherheit und Geborgenheit, und die primitiven Schaukelbewegungen wieder aufnahm, die er anfangs gezeigt hatte.
    Bei meiner dritten Begegnung mit ihm ließ ich ihn nicht in die Klinik kommen, sondern ging, ohne mich anzumelden, hinauf in die Aufnahmestation. Er saß schaukelnd in dem deprimierenden Aufenthaltsraum, mit geschlossenen Augen und abweisendem Gesicht - der Inbegriff der Regression. Einen Moment lang war ich entsetzt, als ich ihn so sah, denn ich hatte die Hoffnung gehegt, es werde bei ihm eine stetige Besserung geben. Ich mußte Jose erst (wie auch später noch so oft) in diesem Zustand sehen, um zu erkennen, daß es für ihn kein einfaches «Erwachen» geben konnte, sondern daß er seinen Weg im Bewußtsein der Gefahr gehen mußte und daß dieser Weg für ihn ein doppeltes Risiko barg, ihn zurückschrecken ließ, aber auch reizte, denn er hatte sein Gefängnis lieben gelernt.
    Sobald ich ihn ansprach, sprang er auf und folgte mir eifrig, ja begierig in den Kunstsaal. Auch diesmal zog ich Stifte aus der Tasche, denn er schien eine Abneigung gegen die Wachsmalkreiden zu haben, die die Patienten auf der Station benutzen durften. «Dieser Fisch, den du gezeichnet hast» - ich deutete mit einer Geste an, was ich meinte, da ich nicht wußte, wieviel er von meinen Worten verstand-, «kannst du dich an ihn erinnern, kannst du ihn noch mal zeichnen?» Er nickte eifrig und nahm mir die Buntstifte aus der Hand. Es war drei Wochen her, daß er das Bild mit der Forelle gesehen hatte. Was würde er jetzt zeichnen?
     
     Ein paar Sekunden lang schloß er seine Augen - vielleicht beschwor er innerlich das Bild herauf - und begann dann zu zeichnen. Es war immer noch eine Forelle mit ausgefransten Flossen, einem gegabelten Schwanz und Flecken in allen Farben des Regenbogens, aber diesmal hatte sie ausgesprochen menschliche Gesichtszüge, ein sonderbar anmutendes Nasen loch (welcher Fisch hat Nasenlöcher?) und die vollen Lippen eines Menschen. Ich wollte ihm schon die Stifte wieder aus der Hand nehmen, merkte aber, daß er noch nicht fertig war. Was hatte er vor? Das Bild war doch vollständig. Ja, das Bild vielleicht, aber nicht die Szenerie. Der erste Fisch war, wie eine Ikone, von allem anderen isoliert gewesen; dieser hier jedoch sollte Teil einer Szene, einer Welt sein. Jose zeichnete schnell einen kleineren Fisch ein, der, ein Gefährte des großen, offenbar in einer Art Spiel einen Freudensprung vollführt hatte und gerade wieder ins Wasser eintauchte. Und danach zeichnete Jose die Wasseroberfläche, aus der sich unvermutet eine große Welle erhob. Während er die Welle malte, wurde er immer erregter und stieß einen seltsamen Schrei aus.
    Ich konnte mich des, vielleicht vorschnellen, Eindrucks nicht erwehren, daß diese Zeichnung symbolisch zu verstehen war: Der kleine Fisch und der große Fisch - waren damit er und ich gemeint? Aber das Wichtige und Erregende war die spontane Darstellung, der nicht auf meinen Vorschlag hin, sondern aus ihm selbst heraus entstandene Impuls, ein neues Element einzuführen - ein lebendiges Wechselspiel in seiner Zeichnung. Weder in seinem Leben noch in dem, was er gemalt hatte, war es bisher zu irgendeiner Interaktion gekommen. Jetzt aber ließ er sie zu, wenn auch nur im Spiel, als Symbol. Oder vielleicht auch nicht? Was bedeutete diese wütende, Rache drohende Welle?
    Es erschien mir besser, mich wieder auf sicheren Boden zu begeben und vorerst keine freie Assoziation mehr zuzulassen. Ich hatte einen Eindruck von den Möglichkeiten bekommen, aber auch die Gefahren gesehen und gehört, die in ihnen lauerten. Also zurück in den sicheren Schoß von Mutter Natur, zurück zum Paradies vor dem Sündenfall. Auf dem Tisch lag eine Weihnachtskarte mit dem Bild eines Rotkehlchens auf einem Baumstumpf, der inmitten von Schnee und schwarzen Bäumen stand.
     
     
     
    Ich zeigte auf den Vogel und gab Jose einen Stift mit verschiedenen Farbminen. Er zeichnete den Vogel in allen Einzelheiten und malte die Brust rot aus. Die Füße wirkten wie Klauen, die sich in die Rinde krallten. (Ich war sowohl bei dieser Gelegenheit als auch bei späteren Gelegenheiten überrascht über sein Bedürfnis, bei Händen und Füßen die Funktion des Festhaltens zu betonen und jeden Kontakt eng, fast zwanghaft zupackend, darzustellen.) Aber was war das? Der dürre Zweig neben dem Baumstumpf war in seiner Zeichnung gewachsen

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