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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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störte, war der Hotelbesitzer, der laut schmatzend ein Kebab verdrückte und sagte: »Nix ficken Nutte in Lobby. Bezahlen für Zimmer. Kondom drei Pfund extra.«
    Madeleine ging auf das charmante Angebot des Herrn nicht ein. Stattdessen schlug sie mir vor, zu Hause im Gästezimmer zu übernachten, damit ich nicht allein aufwachen musste und mit den Kindern frühstücken konnte.
    Wir saßen noch ein, zwei Stunden im Wohnzimmer, das wir, wie ich mich jetzt erinnerte, gemeinsam renoviert und eingerichtet hatten, tranken eine Flasche Wein und unterhielten uns über meinen Dad. Sie erzählte mir von einem Urlaub in Cornwall, in dem er uns besucht hatte, und von seiner unendlichen Geduld im Umgang mit den Kindern. Die Atmosphäre war entspannt; sie saß mir mit angezogenen Beinen auf dem Sofa gegenüber, und wenn ich sie mir so ansah, fragte ich mich unwillkürlich, wie es mir gelungen war, sie nicht zu lieben. Irgendwann musste ich zur Toilette, und als mein Blick auf die Familienfotos an der Badezimmerwand fiel, kam mir eine weitere Erinnerung. Es wurden jetzt täglich mehr, und diese drehte sich um einen Ausflug in die Londoner Innenstadt mit den Kindern, als sie ungefähr so alt waren wie auf den Fotos.
    Wir sind bei Madame Tussauds. Es muss einmal eine Zeit gegeben haben, als ein Besuch im Wachsfigurenkabinett ein Spaß für die ganze Familie war, doch unsere Kinder können sich weiß Gott Spannenderes vorstellen, als durch überfüllte Räume zu marschieren und sich Wachsmodelle von abgehalfterten Promis anzuschauen. Vor allem die Nachbildung der königlichen Familie kann es in Sachen Nervenkitzel nur schwer mit der Achterbahn in Alton Towers aufnehmen. Die Kinder sind vermutlich froh, dass einige Figuren fehlen, weil sie dringend der Restaurierung bedürfen. Nach einer enttäuschenden und zunehmend qualvollen Stunde sind wir kurz davor, das Unternehmen abzublasen, als die Augen meiner Frau plötzlich zu leuchten beginnen. Ich kenne dieses schelmische Funkeln – ich habe es zuletzt gesehen, als die Verkäuferin in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses sie fragte, ob sie die Kokosnusscreme gern probieren wolle und Maddy sich nicht zwei Mal bitten ließ und sich das Zeug mit irrem Blick in den Mund stopfte. Als eine Touristengruppe den Raum betritt, steigt Maddy über die Absperrung, wirft sich auf dem leeren Podest in Pose und starrt mit ebenso ausdrucksloser wie hoheitsvoller Miene ins Leere.
    Jamie und die kleine Dillie sind von dem Schabernack ihrer Mutter ganz begeistert, und während ich das vermeintliche Wachsmodell auf dem Podest anstarre, treten einige ausländische Touristen hinzu.
    »Dad – wer soll das sein?«, fragt Dillie laut und deutlich, in der Hoffnung, ihre Mum so zum Lachen bringen zu können.
    »Aber die kennst du doch, Schätzchen. Das ist Prinzessin Rita. Von Lakeside Thurrock …«
    Maddys Gesichtsausdruck bleibt unverändert, dabei weiß ich genau, dass es sie innerlich zerreißt.
    »Entschuldigen Sie, und in welchem Verwandtschaftsverhältnis steht sie zur Königin?«, fragt eine Amerikanerin und nimmt die erstaunlich lebensechte Figur eingehend in Augenschein.
    »Prinzessin Rita? Also, eigentlich ist sie gar nicht mit der Königin verwandt. Rita ist eine uneheliche Tochter aus der Beziehung des Herzogs von Edinburgh mit, ähm, Eleanor Rigby«, erkläre ich, während Jamie ein röchelndes Hustengeräusch von sich gibt.
    »Eleanor Rigby? Die aus dem Beatles-Song?«
    »Ja, darum war sie ja so einsam – der Herzog weigerte sich, die Königin ihretwegen zu verlassen. Er konnte sich die Unterhaltszahlungen nicht leisten.«
    »Ach, das wusste ich ja noch gar nicht – wie interessant! Vielen Dank.«
    Als sie davongehen, stößt ihre halbwüchsige Tochter plötzlich einen spitzen Schrei aus.
    »Dad! Dad! Prinzessin Rita hat mir zugezwinkert!«
    »Ach was – das bildest du dir ein.«
    »Doch, ich schwör’s! Ich habe sie angeschaut, und sie hat geblinzelt. Sie erwacht zum Leben, Dad! Die Wachsfiguren erwachen zum Leben!«
    Als ich wieder in die Küche kam, stellte Maddy gerade die Weingläser in die Spülmaschine und machte das Licht im Parterre aus.
    »Wann hast du eigentlich mit den Albernheiten aufgehört?«, fragte ich sie.
    »Was denn für Albernheiten?«
    »Du weißt schon – du als Wachsfigur bei Madame Tussauds. Deine Lautsprecherdurchsage im Zug. Früher hast du uns mit diesen bekloppten Streichen immer zum Lachen gebracht, aber irgendwann war es damit vorbei.«
    »Tja …« Sie

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