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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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Leben ging weiter. Maddy bekam eine SMS . Für eine Beileidsbekundung war der Klingelton etwas zu schwungvoll.
    »Aha – gut.«
    »Was ist?«
    »Ach, nichts Besonderes …«
    »Ralph?«
    »Ja. Aber – er möchte dir bloß sein herzliches Beileid aussprechen.«
    »Okay.«
    »Er schreibt, vor ein paar Jahren hätte auch er seinen Vater verloren, deswegen wüsste er genau, was du jetzt durchmachst.«
    »Das möchte ich doch stark bezweifeln.«
    »Tut mir leid, ich hätte es dir nicht sagen sollen.«
    Ich wischte, vielleicht etwas zu energisch, Tisch und Arbeitsfläche ab.
    »Schon gut, du brauchst ihn nicht zu mögen.«
    »Nein, ich habe nichts gegen ihn.« Ich schmollte.
    »Wirklich, es macht mir nichts aus, wenn du ihn nicht leiden kannst.«
    »Das habe ich nicht gesagt. Er scheint mir nur nicht besonders ›zupackend‹ zu sein, das ist alles.«
    »Nicht besonders ›zupackend‹? Wie soll ich das verstehen?«
    »Er scheint zu der Sorte Mensch zu gehören, die in erster Linie das Problem sieht.«
    Einen Moment lang schaute sie verdutzt drein, dann fiel der Groschen, und Maddy lachte laut. »Nur weil er der Ansicht ist, dass es vermutlich nicht ganz einfach wäre, einen Riesendamm zu bauen? Er ist nicht besonders ›zupackend‹, weil er es für unwahrscheinlich hält, dass Italien, Israel, Frankreich und Russland Vaughans Lieblingsprojekt zustimmen würden?«
    »Russland hat damit nichts zu tun«, sagte ich. »Es liegt nicht am Mittelmeer.«
    »Vielleicht doch, wenn es mit der Erderwärmung so weitergeht …«
    »Siehst du, du bist auf meiner Seite! Du denkst in entsprechenden Kategorien. Ralph hingegen ist der ewige Neinsager.«
    Ohne es zu merken, räumten wir gemeinsam die Spülmaschine aus, Maddy die Gläser und ich das Besteck, wie ich es immer schon getan hatte. Ich deckte den Frühstückstisch ab und wusste instinktiv, dass die restlichen Cornflakes in den Hundenapf und die Teebeutel in den Komposteimer kamen. Mit meiner Kritik an Ralph hatte ich Maddy eigentlich ein wenig triezen wollen, doch zu meinem Ärger fand sie meine Auslassungen urkomisch. Trotzdem stand das Thema Ralph nach wie vor im Raum, darum beschloss ich, mich zur Abwechslung ein wenig in Demut zu üben.
    »Ach, übrigens, ich habe die Scheidungspapiere abgeschickt.«
    »Ja, das hast du schon mal gesagt. Ich werd verrückt! Seit wann pickst du die Essensreste aus dem Abfluss?«
    »Was? Äh, ich habe mich daran erinnert, dass du das auf den Tod nicht ausstehen kannst, also gebe ich mir Mühe und mache es, selbst wenn ich allein bin.« Es freute mich, dass sie es bemerkt hatte. »Und? Zieht Ralph jetzt hier ein?«, fragte ich so beiläufig wie möglich. »Ich meine, hast du schon einen Zeitplan im Kopf oder so?«
    Maddy stieß einen langgezogenen Seufzer aus. »Ach, ich weiß auch nicht. Manchmal habe ich den Eindruck, es wäre alles sehr viel einfacher, wenn ich lesbisch wäre …«
    »Was soll denn das heißen? Ralph ist doch nicht etwa eine Transe?«
    »Ach was, nein … Ist ja auch egal …« Ich versuchte, den Frauenversteher zu spielen, obwohl ich in Wahrheit bloß neugierig war. »Schon gut, du kannst es mir ruhig sagen. Ich war immerhin fünfzehn Jahre mit dir verheiratet.«
    »Na schön, ich verrate es dir. Wir hatten einen Riesenkrach. Er hat sich die ganze Galerie mit den grässlichen abstrakten Schmierereien einer jungen Malerin vollgehängt. Und das nur, weil er ihr an die Wäsche will. Wenn du mich fragst.«
    »Oje, das tut mir leid«, log ich.
    »Vielleicht bin ich für Beziehungen einfach nicht geschaffen. Wahrscheinlich werde ich als eine dieser alten Schachteln mit den siebzehn Katzen enden, die wegen des unerträglichen Gestanks, der aus ihrer Küche dringt, von der Stadt zwangsgeräumt wird.«
    Am liebsten hätte ich triumphierend die Arme hochgerissen, doch ich tat, als wäre nichts gewesen, und wischte brav die Spüle sauber wie jeder moderne, stubenreine Mann.
    »Also bitte, Vaughan – du brauchst den Müll aus dem Abfluss doch nicht auch noch zu sortieren …«
    Sie trug Dillie und Jamie auf, sich anzuziehen, nachdem Friends vorbei war, ohne zu ahnen, dass der fragliche Sender mit dieser Serie sein gesamtes Wochentagsprogramm bestritt, und ich verabschiedete mich von den Kindern. Ich dankte Maddy dafür, dass sie mir ihr Ohr geliehen und mich im Gästezimmer hatte übernachten lassen, sodass ich den beiden die traurige Nachricht persönlich hatte überbringen können. Maddy vermied es, mir in die Augen zu sehen, und

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