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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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ihren liebsten Ort auf der ganzen Welt erinnert, ich hatte mich daran erinnert, dass sie für ihr Leben gern schwimmen ging, aber nie ausreichend warme Kleidung mitnahm, ich hatte mich daran erinnert, dass sie gesagt hatte, sie habe nie etwas Köstlicheres gegessen als die Grillwürstchen an diesem schönsten aller Strände.
    Und ich hatte mich an ihr Gmail-Passwort erinnert und so herausgefunden, wohin sie geflogen und in welcher Pension sie abgestiegen war – aber das behielt ich wohlweislich für mich.

22. KAPITEL
    Müsste ein Historiker den absoluten Tiefpunkt unserer Ehe datieren, so fiele seine Wahl vermutlich auf den 13. Februar, 23.15 Uhr, acht Monate vor meiner Amnesie. Als ich an diesem Abend nach Hause kam, stellte ich fest, dass Maddy ihre Drohung wahrgemacht und das Schloss hatte auswechseln lassen. Weder öffnete sie mir die Tür, noch ging sie ans Telefon; vielmehr tat sie, als sei sie nicht zu Hause, und in meiner Wut schlug ich mit solcher Wucht gegen die Tür, dass ich aus Versehen eine der beiden Glasscheiben zertrümmerte und in die Notaufnahme fahren musste, wo die Hand mit soundso vielen Stichen genäht wurde; die genaue Anzahl schwankte, je nachdem wie stark die Kränkung wieder hochkam, wenn ich jemandem den Vorfall schilderte. In meinen Augen hatte ich meinen blutigen Ärmel allein Maddy zu verdanken. Die Narbe an meiner Hand stammte von einer Verletzung, die sie mir durch ihre Aussperraktion zugefügt hatte.
    Am 14. Februar war Valentinstag, und die Schaufenster der Geschäfte waren mit riesigen rosa Herzen und überdimensionalen Grußkarten geschmückt. An dem weißen Verband um meine Hand erschienen dunkelrote Flecken, wenn ich sie zu heftig bewegte; was ich ausgiebig tat, wohl um mir unbewusst etwas zu beweisen. Mit Maddy sprach ich wochenlang kein Wort, bis ich die Scheidung in die Wege geleitet hatte.
    Die Erinnerung an das würdelose Ende meiner Ehe war nicht neu. Sie war mir bereits ein paar Wochen zuvor gekommen, nachdem ich mich bei Gary nach der Narbe an meiner linken Hand erkundigt hatte. Linda war aufgefallen, dass sie die »Herzlinie« in meiner Handfläche kreuzte. »Das deutet auf ernsthafte Beziehungsprobleme hin …«
    »Ja, das weiß ich, Linda – die Narbe stammt aus der Nacht, die das Schicksal meiner Ehe besiegelt hat.«
    »Mag sein, aber ein Handleser hätte die Trennung vielleicht vorhergesehen.«
    »Ja, nur leider steckte meine Hand in einem blutgetränkten Verband, weil Maddy das Schloss hatte auswechseln lassen und ich mich an der Türscheibe geschnitten hatte. Wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl ist.«
    Doch als ich an diesem Morgen in einem altmodischen Gästezimmer in West Cork neben Madeleine im Bett lag, kehrte die Erinnerung plötzlich zurück. Draußen vor dem Pub hatte jemand Glasscherben zusammengefegt, worauf sich die leidige Episode zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt durch den Hintereingang in mein Bewusstsein stahl. Maddy bewegte sich im Schlaf. Zum Glück hatte der Krach sie nicht geweckt.
    Als ich aufgewacht war, hatte ich im ersten Moment nicht gewusst, wo ich mich befand – nach meinem Gedächtnisverlust hatte ich ganze Tage in diesem Schwebezustand verbracht. Doch als mir einfiel, wie Maddy am Abend zuvor auf Zehenspitzen in mein Zimmer geschlichen und zu mir ins Bett gekrochen war, erfasste mich eine Welle der Euphorie. Da lag sie, rekelte sich unter der Decke und schmiegte den Kopf in meine Armbeuge, wie sie es früher so häufig getan hatte.
    Wir hatten nicht miteinander geschlafen. Zwar war ich durchaus versucht gewesen, einen Vorstoß in diese Richtung zu unternehmen, doch dann fiel mir die Geschichte über ihre Mutter ein, die Maddy mir erzählt hatte. Und ich wollte nicht, dass Maddy unseren Kindern dereinst anvertraute, ich hätte im Bett immer nur an mich gedacht. Ich strich ihr sanft übers Haar, aber die Erinnerung an den 13. Februar ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Mir fiel ein, als wie demütigend ich es empfunden hatte, vor meiner eigenen Tür knien und erst fordernd, dann flehend durch den Briefschlitz brüllen zu müssen. Es war, als hätte sie mir mein Leben weggenommen, mich buchstäblich all dessen beraubt, was mein Dasein in den vergangenen zwanzig Jahren bestimmt hatte.
    Ich hörte auf, Maddys Haar zu streicheln. Eigentlich war es ziemlich unbequem mit ihrem Kopf auf meiner Schulter, und so drehte ich mich leicht in ihre Richtung, bis ihr Kopf auf das Kissen sank. Sie hatte doch tatsächlich das Schloss ausgewechselt, an
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