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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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der Tür des Hauses, in dem ich mit meinen Kindern wohnte! Ich hatte sie weder geschlagen noch betrogen; sie wollte einfach nicht mehr mit mir zusammenleben, also hatte sie kurzerhand das Schloss auswechseln lassen. Wie konnte man etwas so Abscheuliches nur tun?
    Madeleine zog mir im Halbschlaf die Bettdecke weg. Meine Empörung wuchs, und ich spürte, wie meine Wut zurückkehrte, je länger ich über das Unrecht nachdachte, das sie mir angetan hatte. Ich kletterte aus dem Bett und war kurz davor, allein zum Frühstück hinunterzugehen, als sie sich plötzlich umdrehte, die Augen aufschlug und mich schlaftrunken anlächelte.
    »Ich bin anscheinend in deinem Zimmer …«, sagte sie schelmisch.
    »Ja«, erwiderte ich kühl, wich ihrem Blick aus und konzentrierte mich stattdessen auf den billigen Wasserkessel auf dem Nachttisch.
    »Warum kommst du nicht wieder ins Bett?«
    »Nein, ich mache lieber Tee.«
    Ich ging mit dem Kessel zum Waschbecken, und das Blech knallte gegen den Hahn.
    »Hast du dir wehgetan?«
    »Nein«, sagte ich, als würde ich eine besonders perfide Unterstellung zurückweisen. »Der Scheißkessel passt nicht ins Waschbecken – wie soll das funktionieren? Das darf doch wohl nicht wahr sein!«
    »Nimm den Becher zu Hilfe. Oder geh an den Kaltwasserhahn im Bad.« Sie setzte sich auf. Ich bemerkte, dass sie im Bett wieder meine T-Shirts trug, ein Umstand, der im Zeichensystem ehelicher Diplomatie eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte.
    Ich klapperte mit dem Geschirr und ließ meine Aggressionen an den Teebeuteln aus. Ich hatte Maddy pflichtschuldig eine Tasse angeboten, und jetzt trank sie einen Schluck und sagte: »Schön, den Tee ans Bett gebracht zu kriegen.« Statt ihr Lächeln zu erwidern, konterte ich: »Ich hasse diese beschissenen H-Milch-Tüten«, eine Aversion, der ich im Laufe unserer Ehe höchstens ein paar tausend Mal Ausdruck verliehen hatte. Es war an der Zeit, meinem Zorn über ihre ungeheuerliche Schandtat Luft zu machen. Ich wusste, dass ich damit vermutlich alles ruinierte, aber ich konnte meine Wut nicht länger unterdrücken. Ich sah zu ihr hinüber; sie hatte sich das Kissen in den Rücken geschoben, und die eine oder andere Knitterfalte verunzierte ihre glatte, helle Haut. Plötzlich zog sie sich neckisch grinsend das T-Shirt über den Kopf, sodass sie nun splitternackt in dem weichen, weißen Bett saß. »Wie wär’s mit ein bisschen Sex, bevor wir nach unten gehen und ausgiebig frühstücken?«
    »O Gott, o Gott …«, stöhnte ich ein paar Minuten später. »Du bist so wunderschön …«
    »Jetzt hör aber auf!« Sie blickte mich strafend an. »Himmel, ich sehe bestimmt schrecklich aus – gerade wach geworden, meine Haare stehen nach allen Seiten ab, und ich habe dicke Ringe unter den Augen.«
    Nun, da der Geschlechtsverkehr vollzogen war, wurde der Fall des Schlossauswechselns einer neuerlichen Prüfung unterzogen und als belanglose Bagatelle befunden, der ich rückblickend viel zu große Bedeutung beigemessen hatte. Wenn ich es recht bedachte, hatte Maddy angesichts der Tatsache, dass ich in betrunkenem Zustand eine Fensterscheibe eingeschlagen hatte, wahrscheinlich sogar gut daran getan, mich auszusperren. Mir fiel ein, dass unser »Versöhnungssex« stets besonders leidenschaftlich ausgefallen war, insofern schien es nur folgerichtig, dass unser »Postscheidungsversöhnungssex« in dieser Hinsicht sämtliche Rekorde sprengte. Ich lag noch immer auf ihr, doch inzwischen kannten wir uns so gut, dass sie freimütig bekannte, dies sei vielleicht doch ein wenig unbequem. Und so legte ich mich ein Weilchen neben sie und streichelte ihre Schwangerschaftsstreifen. So hatte ich den Sex mit Maddy noch nie erlebt. Beim Verkehr hatte sie mir weder offenbart, dass der Wagen neuerdings ein komisches Klappergeräusch von sich gebe, noch hatte sie laut über die Frage nachgedacht, ob Jean ihre Schulzeugnisse vielleicht noch immer auf dem Dachboden aufbewahrte.
    Nach dem Frühstück gingen wir am Hafen spazieren, auf der Suche nach einem Geschenk für Madeleines Eltern, zum Dank dafür, dass sie Haus und Hund gehütet hatten. Um diese Jahreszeit hatten nur das Postamt und der kleine Supermarkt geöffnet, und Maddy war hin und her gerissen zwischen einem Geschirrhandtuch, auf dem sämtliche irischen Grand-Prix-Gewinner abgebildet waren, und einem Glas lebender Wattwürmer. Im Hochsommer wimmelte es am Kai von dicklichen Dorfjungs, die sich grölend ins Wasser stürzten, und
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