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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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Neunzigerjahren den Pony hochzukämmen, eine Frisur, die schon damals nicht ganz dem aktuellen Modetrend entsprochen hatte. Also lieh ich mir einen eleganten grauen Cut, steckte mir eine Rose ins Knopfloch, und so standen wir Seit’ an Seit’ vor der Ersten Kammer des Amts- und Familiengerichts und warteten darauf, dass der Richter uns zu Exmann und Exfrau erklärte.
    Der Richter vergewisserte sich erst einmal, dass wir uns nicht im Gebäude geirrt hatten, als das traute Brautpaar in seinem Gerichtssaal erschien. Auch unsere beiden leidgeprüften Anwälte waren zugegen und schüttelten in seltener Eintracht den Kopf ob der hartnäckigen Weigerung dieses duo infernale , sich die traditionelle Schlammschlacht zu liefern. Der richterliche Beschluss über die Scheidungsfolgesachen stand noch aus, aber das war eine reine Formalität. Es spielte keine Rolle mehr, wer das Haus bekam oder wie viel ich Maddy monatlich zahlen musste, denn wir saßen beide im selben Boot.
    Normalerweise wurde ein Fall wie der unsere binnen weniger Minuten abgehandelt, da die finanziellen und Sorgerechtsfragen im Allgemeinen längst geklärt sind, wenn die rechtliche Trennung vollzogen wird. Nur passten die Standardantworten auf die Standardfragen diesmal nicht, und der Miene des Richters nach zu urteilen hatte dieses unkonventionelle Paar ihm den Tag gründlich versüßt. »Das klingt eigentlich eher nach einer Eheschließung als nach einer Scheidung«, meinte er.
    »Das könnte man sagen, Mylord«, murmelte ein peinlich berührter Anwalt, und Maddy präsentierte dem Gerichtssaal stolz den neuen, juwelenbesetzten Ring an ihrem Finger.
    »Herr Anwalt, darf ich die Frage direkt an den Antragsteller richten – sind Sie sich auch wirklich sicher, Mr. Vaughan, dass Sie von dieser Frau geschieden werden möchten?«
    »O ja, Herr Vorsitzender.« Ich bedachte Maddy mit einem liebevollen Blick, den sie mit einem Lächeln quittierte. »So sicher wie noch nie!«
    Da es weiter keine formalen oder materiellen Hindernisse gab, verlas der Richter das Urteil und erklärte die Ehe für rechtmäßig geschieden. Was mein Anwalt mit der sarkastischen Bemerkung kommentierte: »Sie dürfen die Geschiedene nun küssen.« Ich ließ mich nicht zwei Mal bitten.
    Da das Werfen von Konfetti vor dem Gerichtsgebäude nicht ausdrücklich verboten war, überschüttete uns eine kleine Schar von Freunden und Verwandten mit Unmengen von winzigen bunten Papierschnipseln, als wir ins Freie traten. Ich fragte mich unwillkürlich, ob wir uns womöglich eines Umweltvergehens strafbar machten. Unsere Kinder gingen besonders großzügig mit dem Konfetti um und kippten ihren Eltern das Zeug gleich kistenweise über den Kopf. Sie wollten wissen, ob sie in dem gemieteten Rolls-Royce mitfahren durften, der uns zur Scheidungsfeier chauffierte. Und so kletterte die ganze Familie in die weiße Luxuslimousine und fuhr unter dem stürmischen Beifall der Zuschauer davon. Dillie saß auf dem Beifahrersitz und hoffte inständig darauf, von einer Schulfreundin erspäht zu werden.
    »Echt cool. Können wir im Ritz zu Mittag essen?«
    »Zu teuer. Aber wenn du willst, können wir dir ein paar Ritz-Kräcker zu Mittag kaufen.«
    Jamie und Dillie zuliebe nahm der Rolls-Royce einen kleinen Umweg, am Themseufer entlang, über die Chelsea Bridge, und hielt am Drive-in-Schalter einer McDonald’s-Filiale, wo der livrierte Chauffeur sich aus dem Fenster lehnte und den Kindern je ein Happy Meal mit Schokoladenshake bestellte. Als wir zu Hause ankamen, waren die meisten Gäste schon da. Sie warteten in dem riesigen Partyzelt, das einen Großteil des Gartens einnahm, und tranken Champagner.
    Unsere Freunde hatten sich zu diesem besonderen Anlass mit Freude und Vergnügen in Hochzeitsschale geworfen. Nur Madeleines Mutter entging der ironische Aspekt der Veranstaltung, weshalb sie in einem fort die Runde machte und der Verwandtschaft wortreich auseinandersetzte, dass wir uns gar nicht wirklich scheiden ließen, weil wir ja nun wieder zusammen seien und wahrscheinlich ein zweites Mal heiraten würden wie Richard Burton und Liz Taylor. Nur, setzte sie hinzu, ohne zweite Scheidung und ständige Alkoholexzesse.
    Die meisten unserer Bekannten waren froh, dass eines ihrer liebsten Paare wieder zueinandergefunden hatte, auch wenn einige von Maddys Freundinnen es sichtlich bereuten, ihr so emphatisch zugestimmt zu haben, als sie sich über ihren schrecklichen Ehemann beklagt hatte. »Also, äh, als ich gesagt habe, du

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