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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß
Autoren: John O'Farrell
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wärest viel zu gut für ihn, da meinte ich natürlich, äh, du wärest viel zu gut dafür, wie Vaughan sich bei der Scheidung verhalten hat. Abgesehen davon war ich eigentlich immer schon der Meinung, dass er der Richtige für dich ist, ein echtes Goldstück, der ideale Ehemann. Oder Exmann, wenn dir das lieber ist …«
    Jetzt, wo alle ein paar Wochen Zeit gehabt hatten, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, machte sich regelrechte Euphorie unter den Freunden breit, die heute hier versammelt waren. Der Humor war deftiger, das Essen leckerer, die Sonne sonniger als sonst; es war die perfekte Party, weil alle Anwesenden es so wollten. »Hach, ist das romantisch«, seufzte die hochschwangere Linda. »Können wir uns nicht auch scheiden lassen?«
    Gary hatte die Rolle des Trau- beziehungsweise »Scheidungszeugen« übernommen, wie zu betonen er nicht müde wurde, und reklamierte die Idee, dass Maddy und ich es noch einmal miteinander versuchen sollten, kurzerhand für sich. In seiner Westentasche befanden sich unsere Eheringe, die wir seit Monaten nicht mehr getragen hatten und einander später anstecken wollten, vor den Augen all derer, die wir kannten und liebten.
    Dillie war ohne Frage die reizendste, entzückendste Zwölfjährige der Welt und schien aufrichtig interessiert und erstaunt, als ihr ein Erwachsener nach dem anderen versicherte, sie sei aber groß geworden. Jamie wäre bei der Frage, ob er schon eine Freundin habe, wahrscheinlich errötet, hätte er ebendiese Frage im Lauf des Tages nicht schon circa elf Mal gestellt bekommen. Mit der Antwort »Nein, ich warte auf die Richtige« erntete er von älteren Verwandten stets ein wohlwollendes Kichern; nicht so mit dem Nachtrag: »Oder den Richtig en , je nachdem, wie ich mich entwickle.« Der Hund der Familie hingegen outete sich, nachdem unser halsbetuchter Nachbar ihn stundenlang mit Hähnchenfingern und Würstchen in Blätterteig gefüttert und ihm so das nötige Selbstvertrauen gegeben hatte. Woody hatte sich noch nie so befreit gefühlt: »Darf ich vorstellen? Mein wahres Ich! Jawoll, ich fresse für mein Leben gern! Ist das so verwerflich? Soll ich mich denn ewig schämen für die Liebe, die sich stets verhehlt? Endlich kann ich mich freimütig zu meinen Neigungen bekennen! Ich bin ein Gourmand! Ein Leckermaul! Ein Vielfraß! Ich bin gierig und stolz darauf – gewöhnt euch dran!«
    Ron legte mit seiner wunderschönen Tochter einen altmodischen Tanz aufs nicht vorhandene Parkett, und Jean beobachtete die beiden voller Stolz. Nicht zuletzt, weil inzwischen das eine oder andere Glas Champagner durch ihre Adern strömte, brach sie urplötzlich in Freudentränen aus, als sie sah, wie sehr sich die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben liebten. »Er war immer schon ein grandioser Tänzer«, lallte sie. »Er war mir immer ein wunderbarer Ehemann. Ich kann von Glück sagen, dass ich ihn habe …« Fast wäre ich an meinem Hähnchenschlegel erstickt.
    Schließlich wurde es Zeit für unsere »Trauung«, und Gary geleitete die Leute zu der erhöhten Terrasse. Anderthalb Jahrzehnte zuvor hatten Maddy und ich uns vor einem Standesbeamten und ein paar greisen Verwandten mit Hut das Jawort gegeben. Wir hatten gelobt, einander »zu lieben, zu achten und zu ehren alle Tage, in guten und in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet«. Rückblickend mussten wir uns eingestehen, dass wir diesem hehren Anspruch nicht ganz gerecht geworden waren und die Latte beim ersten Mal vielleicht ein wenig tiefer hätten legen sollen. »Mit diesem Ring nehme ich dich einstweilen zu meinem angetrauten Weib. Mit meinem Leib verehre ich dich, selbst wenn ich dich anwidere mit meiner unseligen Angewohnheit, meine abgeschnittenen Zehennägel im Bidet liegen zu lassen. Was mir gehört, soll auch dir gehören, bis auf mein dickes Buch über die Geschichte der Aktfotografie, das ich seit Jahren auf dem Dachboden verstecke, wie du hoffentlich nicht weißt.«
    Für die »Zweite Runde« hatten wir beschlossen, uns trotz allem öffentlich die Treue zu versprechen, diesmal jedoch mit einem leicht bearbeiteten, realistischeren Gelöbnis, konzipiert für das schon etwas reifere Paar, das sich keinerlei Illusionen hingab, was die Kompromisse und gelegentlichen Enttäuschungen einer lebenslangen Partnerschaft betraf. »Ich gelobe, bisweilen so zu tun, als würde ich dir zuhören, obwohl ich in Gedanken ganz woanders bin.« »Ich gelobe, dich zu lieben wie eine
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