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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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Gericht erscheinen musste, um diese langwierige, schmerzliche und nicht zuletzt sündteure Angelegenheit zu einem gnädigen Abschluss zu bringen.
    »Die Sache jetzt noch abzublasen ist das Letzte, was du möchtest«, sagte Gary.
    »Du musst durch diesen Reifen springen, Vaughan, nicht nur Maddy und den Kindern, sondern auch dir selbst zuliebe«, setzte Linda hinzu.
    Gary schlug vor, ich solle vor Gericht so tun, als wäre nichts geschehen, damit die Ehe, an die ich ohnehin keinerlei Erinnerung besaß, für null und nichtig erklärt werden konnte.
    »Und wenn mir der Richter eine Frage stellt, die ich nicht beantworten kann?«
    »Keine Angst, dein Anwalt ist dabei – er geht vorher alles haarklein mit dir durch.«
    »Und er weiß von meinem Gedächtnisverlust?«
    »Äh, nein, vermutlich nicht«, sagte Gary. »Wir könnten ihn natürlich einweihen, aber was soll das bringen? Er wird höchstens eine Vertagung des Verfahrens erwirken und dir dafür noch einmal zehntausend aus der Tasche ziehen, die du nicht hast.«
    »Maddy und die Kinder rechnen fest damit, dass die Sache am Freitag über die Bühne geht. Sie wollen endlich einen Schlussstrich ziehen«, sagte Linda.
    »Die letzte Anhörung läuft sowieso nach Schema F. Du sagst dein Sprüchlein auf, der Richter fällt sein Urteil, Maddy und du willigt feierlich in die Scheidung ein, und dann geht’s ab ins nächste Pub, wo du mit der polnischen Bedienung schäkerst.«
    Gary meinte, ich könne jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Wenn mein Gedächtnis plötzlich wiederkehrte und ich feststellen musste, dass ich die Chance verpasst hatte, aus einer unglücklichen Ehe auszubrechen, würde ich das zutiefst bereuen.
    »Du behauptest , dass meine Ehe unglücklich gewesen ist …«, wandte ich zaghaft ein.
    »Nun ja, am Freitag werdet ihr geschieden «, sagte Gary. »Das ist im Allgemeinen ein sicheres Zeichen …«
    Ich hatte bereits geahnt, dass unsere Trennung nicht eben einvernehmlich verlaufen war, doch erst auf Nachfrage erfuhr ich, dass seit Beginn des Scheidungsverfahrens ein offener Krieg zwischen uns tobte. Nach meinem Auszug waren Maddy und ich anscheinend noch wie halbwegs zivilisierte Menschen miteinander umgegangen. Aber nachdem wir in die Mühlen der Justiz geraten waren und von den unverschämten Behauptungen und Forderungen der gegnerischen Anwälte erfahren hatten, war die Situation eskaliert, und die persönlichen Anfeindungen hatten immer krassere Formen angenommen. »Wenn ich mich recht entsinne, hat der Geschichtslehrer in dir das Scheidungsverfahren mit dem Zweiten Weltkrieg verglichen«, erzählte Gary. »Du hast gesagt, dass die Air Force es noch 1939 für unmoralisch hielt, den Schwarzwald zu bombardieren, um die Holzreserven der Deutschen zu vernichten. 1945 dann führte sie systematisch Feuerstürme herbei, um so viele Zivilisten wie möglich umzubringen.«
    »Ganz so schlimm wie in Dresden war es zwischen Maddy und mir aber doch hoffentlich noch nicht?«
    »Nein, aber ihr wart ja auch erst im Juni ’44 angekommen. Sie war gerade in die Normandie einmarschiert, und du hattest ihr mit der V-1 gedroht.«
    »Aha. Dann spiele ich in dieser Metapher also die Rolle der Nazis?«
    Obwohl ihre Argumente für eine Scheidung durchaus plausibel klangen, konnte ich mich zu diesem folgenschweren Schritt ins Ungewisse unter keinen Umständen bereit erklären. Dass ich nach wie vor einen rosa Damenbademantel trug, machte es mir nicht eben leichter, meinen Standpunkt zu vertreten. Nachdem ich mich angezogen hatte, wollte ich allein ein Stück spazieren gehen, um in Ruhe nachdenken zu können, und auf halber Strecke zwischen Lindas nervöser Besorgnis und Garys totaler Gleichgültigkeit gelangten wir zu einem Kompromiss: Sie würden mich in Frieden ziehen lassen, solange ich einen mit ihrer Adresse und Telefonnummer versehenen Stadtplan und zwanzig Pfund in bar mitnahm, eine Leihgabe, die ich bei nächster Gelegenheit zurückzuzahlen gedachte.
    »Bist du sicher, dass du allein zurechtkommst?«, fragte Linda noch einmal an der Tür. »Soll dich nicht doch lieber einer von uns begleiten?«
    »Nein, wirklich … ich muss nur mal an die frische Luft. Nach der Woche im Krankenhaus und allem, was passiert ist, brauche ich dringend einen klaren Kopf.«
    »Da ist doch sowieso nix drin«, rief Gary aus der Küche dazwischen.
    Kaum war die Wohnungstür hinter mir ins Schloss gefallen, machte ich mich auf den Weg zurück zu dem Haus, aus dem wir Maddy hatten kommen sehen.

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