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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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wehtaten und mir allmählich schwindlig wurde, beobachtete ich gebannt, was dort drüben vor sich ging, und versuchte krampfhaft, mir einen Reim darauf zu machen. Obwohl die beiden sich offensichtlich kannten, deutete nichts darauf hin, dass sie ein wie auch immer geartetes Verhältnis hatten. Er schien den Umgang mit den schweren Rahmen gewohnt zu sein; vermutlich hatte sie ihm die Dinger abgekauft, und er half ihr beim Transport. Aber war das nicht eine reichlich persönliche Dienstleistung für einen gewöhnlichen Bilderrahmer? Ich wollte wissen, ob er mit ihr im Haus verschwinden oder sich allein auf den Rückweg machen würde.
    Maddy schloss die Haustür auf, tätschelte den aufgeregten Hund, der mit dem Hinterteil wackelte und das gleiche langgezogene Jaulen hervorstieß, mit dem er auch mich begrüßt hatte. Zu meiner Erleichterung bekundete das Tier keinerlei Zuneigung zu dem Mann, der die größeren Rahmen in den Flur trug. Als sie hineinging, begann der Hund wie wild zu schnüffeln, doch statt ihr zu folgen, tapste er die Vortreppe hinunter. Maddy rief ihn bei Fuß, aber der Hund hatte Witterung aufgenommen, und ich sah ihren panischen Gesichtsausdruck, als er schnurstracks auf den Bordstein zulief und ihre Rufe ignorierte. Eilig stellte sie ein kleineres Bild ab und nahm die Verfolgung auf. Ich erkannte sofort, dass dieses Verhalten für das Tier untypisch war, doch dem Hund war etwas in die Nüstern gestiegen, und nichts konnte ihn aufhalten.
    In diesem Augenblick wurde mir klar, dass der Hund niemand anderen witterte als mich. Er roch das fehlende Familienmitglied, das ihm noch vor einer Minute die Hand hingestreckt hatte, und kam über die Straße auf mich zu. Maddy war ihm dicht auf den Pfoten und konnte mich jeden Augenblick entdecken. Ich verspürte nicht die geringste Lust, bei unserer ersten Begegnung seit meinem Gedächtnisverlust vor ihr zu stehen wie ein gruseliger Stalker mit einer bizarren Geisteskrankheit. Hinter mir befand sich ein verschatteter Durchgang, der an der Seitenwand des Hauses entlangführte, das dem unseren genau gegenüberlag. Ich lief hinein und versteckte mich hinter einem Holzschuppen. Sekunden später hatte der Hund mich ausfindig gemacht, wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und stellte sich auf die Hinterbeine, um mir das Gesicht abzuschlecken.
    »Woody! Woody!«, rief Maddy verzweifelt und kam immer näher.
    »Geh nach Hause, Woody«, flüsterte ich, was den Hund jedoch nicht weiter zu beeindrucken schien.
    »Woody – komm her«, rief sie, jetzt ganz nahe.
    » Woody , du böser Hund !«, schimpfte ich mit gedämpfter Stimme. » Geh sofort nach Hause , du böser Hund . Los , ab mit dir !«, und zu meinem Erstaunen machte Woody enttäuscht kehrt und trottete zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. »Da bist du ja, du ungezogenes Vieh!«, sagte sie, und es war seltsam, ihre Stimme zu hören. Sie sprach mit leichtem nordenglischen Akzent, Liverpool oder dergleichen – schwer zu sagen.
    Das war gerade noch mal gutgegangen. Sie würde vermutlich umkehren, ich brauchte also bloß zu warten, bis sie im Haus verschwunden war, und konnte mich dann klammheimlich verdrücken. Mir wurde klar, dass ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte, als sie wiederzusehen, und der Gedanke, ihr schlechte Nachrichten überbringen zu müssen, erfüllte mich mit Grausen. Ich schloss die Augen, presste die Stirn gegen die nach Teeröl stinkende Wand des Schuppens und atmete erleichtert auf.
    »Darf ich fragen, was Sie in meinem Garten treiben?«, drang eine ebenso unwirsche wie affektierte Stimme an mein Ohr. Ich wandte den Kopf und erblickte die rundliche Gestalt eines Mannes um die sechzig mit hochrotem Kopf und einem Gin Tonic in der Hand. »Ach, Sie sind’s, Vaughan. Tut mir leid, aber ich hatte Sie für einen Einbrecher gehalten. Wie geht’s Ihnen, alter Freund? Sie habe ich ja ewig nicht gesehen.«
    »Oh, äh – hallo.«
    »Ich glaube, ich weiß …«, sagte der etwas dandyhafte Mann, aus dessen offenem Kragen ein Halstuch quoll. »… ich weiß, was Sie hier wollen.« Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Wie viel wusste er? Hatte er gesehen, wie ich meine Frau bespitzelte?
    »Ach ja?«, stammelte ich.
    »Kein Borger sei und auch Verleiher nicht«, zitierte er mit erwartungsfrohem Grinsen und nickte mir vielsagend zu.
    »Äh – Shakespeare?«
    »Der Schwan von Stratford höchstpersönlich! Sie möchten Ihr Dingsbums zurückhaben, stimmt’s?«
    »Mein

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