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Der Mann, der seine Frau vergaß

Der Mann, der seine Frau vergaß

Titel: Der Mann, der seine Frau vergaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John O'Farrell
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wollte.
    Ich sah sie an und formte mit den Lippen lautlos das Wort »Danke«. Ihr Blick schien zu sagen: »Was soll der Quatsch?«
    »Mein Name ist Jack Joseph Neal Vaughan«, verkündete ich etwas zu forsch.
    »Neil mit i oder mit a ?«, fragte die übergewichtige Schriftführerin.
    »Mit a !«, rief ich beherzt.
    »Mit i «, drang es von der anderen Seite des Saals herüber.
    »Verzeihung, mit i . Natürlich, Neil mit i .«
    Der seiner Perücke beraubte Richter starrte mich einen Moment lang schweigend an; er schien den goldenen Zeiten nachzutrauern, da ein Gericht nach Gutdünken die Todesstrafe verhängen konnte. Ich stellte ihn mir mit einer schwarzen Kapuze über dem Kopf vor. Wenigstens hätte man dann sein Toupet nicht mehr gesehen.
    Der nächste Punkt war zwar nicht direkt problematisch, aber dennoch unangenehm. Bevor ich den Eid ablegte, wurde ich nach meiner Religionszugehörigkeit gefragt. Da ich getrost davon ausgehen durfte, dass ich weder Hindu noch Zoroastriker war, schwor ich auf die Bibel, von nun an die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Ich erfuhr, dass ich der Antragsteller war (zu meinem grenzenlosen Erstaunen hatte ich die Scheidung eingereicht), und bestätigte, dass mein Geburtsdatum mit demjenigen übereinstimmte, das in den Unterlagen stand. »Welches Sternzeichen ist das?«, überlegte ich, während ich über dieses scheinbar willkürlich festgesetzte Datum nachdachte. »Mai – also Stier, oder? Egal, was soll’s, ist doch sowieso alles Mumpitz …«
    »Und Ihr Beruf?«
    »Lehrer!«, blaffte ich wie ein allzu selbstgewisser Kandidat in einem Fernsehquiz. Endlich – ich hatte zwei Fragen richtig beantwortet. Wenn das kein gutes Omen war.
    Eine große, wütend summende Fliege hatte sich in das Lampengehäuse an der Decke verirrt und fand nicht mehr heraus. Ihr manisches Gesurre und Gebrumm dröhnte mir in den Ohren wie die monotonen Stimmen der beiden Anwälte, die eine Sprache sprachen, von der ich kaum ein Wort verstand. Maddy schenkte sich ein Glas Wasser ein, und ich tat es ihr nach. Mein Anwalt nickte mir zu, wie um mir zu bedeuten, dass etwas nach Plan gelaufen sei, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was. Schließlich wies der Richter den Vertreter des Antragsgegners an, seinen Fall darzulegen, und nach seinem Eröffnungsplädoyer kam der Moment, von dem ich inständig gehofft hatte, er möge mir erspart bleiben: Der Anwalt meiner Frau nahm mich ins Kreuzverhör.
    »Mr. Vaughan, ich möchte, dass Sie sich ins Jahr 1998 zurückversetzen.«
    »Ähm, okay … Ich will es versuchen …«
    »Trifft es zu, dass Sie und Ihre Frau in fraglichem Jahr erstmals die Dienste eines Finanzberaters in Anspruch genommen haben?«
    Der Anwalt sah mich erwartungsfroh an.
    »Gut möglich.«
    »Sie müssen sich schon etwas klarer ausdrücken, Mr. Vaughan. Haben Sie und Ihre Frau im Februar 1998 die Dienste eines Finanzberaters in Anspruch genommen?«
    Ich sah zu meiner Nochehefrau hinüber. Die starrte stur geradeaus.
    »Wenn Madeleine das gesagt hat, habe ich keinen Grund, daran zu zweifeln.«
    »Und trifft es ferner zu, dass Sie bei bewusstem Termin am 17. Februar 1998 beschlossen, zusätzlich zu Ihrer Lehrerpension, auf die wir später noch zu sprechen kommen werden, freiwillige Beitragszahlungen in eine private Rentenversicherung zu leisten, gleichwohl einzig und ausschließlich auf Ihren Namen, weil Sie, Mr. Vaughan, als der alleinige Steuerzahler in der Familie auf diese Weise von höheren Steuererleichterungen profitieren konnten, als wenn Sie diese Zahlungen auf Madeleines Namen geleistet hätten?«
    Diesem Finanzkauderwelsch hätte ich vermutlich auch dann nicht folgen können, wenn mein Gehirn einwandfrei funktioniert hätte.
    »Ähm, ich weiß es nicht.«
    Der Richter beugte sich vor. »Denken Sie scharf nach, Mr. Vaughan. Versuchen Sie, sich zu erinnern.«
    »Äh, nun ja, möglich wär’s. Wenn es Unterlagen über entsprechende Zahlungen gibt, werde ich wohl eine zusätzliche Rentenversicherung auf meinen Namen abgeschlossen haben.«
    »Die Existenz dieser Rentenversicherung steht außer Frage, Mr. Vaughan. Der springende Punkt ist, dass Sie Ihrer Frau gegenüber behauptet haben, besagte Rentenversicherung begünstige auch sie, während sie in Wahrheit allein auf Ihren Namen lief, damit Sie Steuern sparen konnten. So ist es doch? Das haben Sie Ihrer Frau 1998 doch gesagt?«
    Plötzlich brach mir an den unmöglichsten Stellen der Schweiß aus. Ich spielte mit dem Gedanken zu lügen

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